Memorandum befeuert Zölibatsdebatte

Ratzingers Argumente

Die "Süddeutsche Zeitung" verkaufte es am Freitag als Sensation: Dabei ist das Memorandum der Theologen Karl Rahner, Walter Kasper, Karl Lehmann und Joseph Ratzinger schon Anfang der 1970er Jahre veröffentlicht und heftig diskutiert worden. Brisanz hat das jetzt wieder ausgegrabene Schreiben dennoch.

Autor/in:
Christoph Arens
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger (KNA)
In jungen Jahren: Prof. Joseph Ratzinger / ( KNA )

Denn immerhin haben der heutige Papst Benedikt XVI. und mit Kasper und Lehmann zwei inzwischen prominente Kardinäle damals eindringlich an die deutschen Bischöfe appelliert, den Zölibat der Priester auf den Prüfstand zu stellen.



Auf alle Fälle bietet das Papier neuen Stoff für die wieder aufgeflammte Debatte über die verpflichtende Ehelosigkeit der katholischen Priester. Zölibatskritiker von heute berufen sich auf den frühen Ratzinger. Auch weil es damit schwerer werden dürfte, sie in eine kirchenfeindliche Ecke zu stellen.



"In einer notvollen Situation der Kirche" hatten sich damals insgesamt neun aufstrebende Theologen, die einer Kommission der Bischofskonferenz zur Glaubens- und Sittenlehre angehörten, an die Bischöfe gewandt. Gerade mit Blick auf den absehbaren Priestermangel brauche die Kirche missionarische Kräfte für eine Offensive.



Einerseits bekannten die Theologen sich zum Zölibat als eine wesentliche Form des Priestertums. Andererseits aber forderten sie, dass die Kirche sich fragen müsse, "ob die bisherige Weise, in der die priesterliche Existenz realisiert wird, in der lateinischen Kirche die einzige Lebensform" bleiben müsse.



"Kein Dogma, sondern kirchliches Gesetz"

Der Zölibat sei kein Dogma, sondern kirchliches Gesetz, das angesichts veränderter gesellschaftlicher Umstände hinterfragt werden könne, heißt es weiter. Auch dürfe der Pflichtzölibat "nicht zum absoluten Fixpunkt der Überlegungen gemacht werden, nach denen sich alle anderen kirchlichen und pastoralen Erwägungen ausschließlich zu richten hätten".



Argumente, die jetzt wiederholt werden. Ausgelöst haben die erneute Diskussion prominente CDU-Politiker, die dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) angehören oder angehörten, darunter Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Bundestagspräsident Norbert Lammert. Sie appellieren an die Bischöfe, sich zumindest für die Weihe "erprobter verheirateter Männer" (viri probati) einzusetzen.



Wer "eisern am überkommenen Pflichtzölibat festhält, führt die Gemeinden sehenden Auges in den seelsorgerischen Notstand", verweist Lammert auf den Priesternotstand. "1960 waren knapp 15.500 Geistliche in der Pfarrseelsorge tätig, derzeit sind es noch 8.500. Gerade noch 150 Männer wollten 2010 in Deutschland katholische Priester werden." Vielen Gläubigen werde bereits heute ihr Recht auf die Sonntagsmesse vorenthalten.



Kein Thema für Bischöfe gerade

Die Deutsche Bischofskonferenz will derzeit nicht in die Debatte einsteigen. Das Thema sei "von weltkirchlicher Tragweite" und verlange Entscheidungen auf gesamtkirchlicher Ebene, heißt es in Bonn. Sehr deutlich kritisiert der gerade neu ernannte deutsche Kardinal Walter Brandmüller den Appell. In einem Offenen Brief schreibt er von einer "Kampagne" und einer "persönlichen Beleidigung" für die "überwältigende Zahl von Priestern, die den Zölibat überlegt und aus freien Stücken" übernommen hätten. Letztlich werde auch Christus selbst dadurch beleidigt.



"Was legitimiert Sie als Politiker, zu einem innerkirchlichen Thema Stellung zu beziehen?", fragt der aus Bayern stammende Kirchenhistoriker. Die Initiative nähre den Verdacht, dass es "um erste Schritte hin zu einer anderen Kirche" gehe. Auch aus den Reihen der Union kommt Widerspruch: Der Zölibat sei "nicht die drängendste Frage", sagt JU-Chef Philipp Missfelder. Er halte den Zölibat zudem für wichtig, da sich die Priester "so mit ihrem Leben vollkommen in den Dienst Gottes und der Kirche stellen".



Schwaderlapp: Klagen auf hohem Niveau

Die Diskussion laufe in "die völlig falsche Richtung", sagte der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp im Interview mit domradio.de noch zu Beginn der Woche. Es werde keine Weitergabe des Christentums geben ohne Hingabe. "Wenn Priester nicht mehr bereit sind, sich ganz zu verschenken für diese Aufgabe, dann wird es auch mit mehr Priestern nicht gelingen."



Man müsse die Frage um Priestermangel ernst nehmen, aber auch feststellen, dass "Klagen auf hohem Niveau" handle. Die Menschen müssten wieder den Wert der Heiligen Messe als das große Geschenk entdecken und bereit sein, dafür auch längere Wege zurückzulegen, sagte Schwaderlapp mit Blick auf die Entfernung zum Gottesdienstort. Hier seien auch die Priester gefordert, den Gläubigen zu helfen, "das zu verstehen" und sich auch "innerlich auf den Weg zu machen".