Bundeskabinett beschließt Gesetzentwurf zur Suizid-Beihilfe

Trotz Kritik

Das Reizthema kommerzielle Sterbehilfe soll gesetzlich geregelt werden. Doch der Gesetzentwurf, den das Kabinett am Mittwoch beschloss, erntet weiter Kritik. Befürchtet wird nun der Ruf nach Zulassung von tödlichen Medikamenten.

Kirche: Für Achtung der Würde des Sterbenden / © ArVis
Kirche: Für Achtung der Würde des Sterbenden / © ArVis

Die Koalition will die gewerbsmäßige "Förderung der Selbsttötung" unter Strafe stellen: Wer mit Suizidbeihilfe Geld verdient, müsste künftig mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldstrafe rechnen. Aktuell ist die Rechtslage unklar: Während die Selbsttötung und die Beihilfe dazu nicht verboten sind, steht die Tötung auf Verlangen unter Strafe. Doch die Abgrenzung ist oft schwierig. Gerichte haben in Einzelfällen unterschiedlich geurteilt.



Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) machte am Mittwoch nochmals deutlich, dass der Gesetzentwurf aus ihrem Haus nichts erlaube, was derzeit unter Strafe stehe. Von einer Ausweitung der Suizidhilfe könne keine Rede sein.



Eine Ausnahme von der Strafbarkeit sehe der Entwurf indes für Angehörige und andere dem Sterbewilligen nahestehende Personen vor. Ehe- und Lebenspartner sollten nicht kriminalisiert werden, argumentiert die FDP-Politikerin. Angehörige oder enge Freunde, die einen Sterbewilligen begleiten - auch dann, wenn er kommerzielle Hilfe in Anspruch nimmt - verdienten Respekt und keine Strafandrohung.



Anders als im Referentenentwurf werden in der Begründung des vom Kabinett gebilligten Gesetzentwurfs nun aber keine Beispiele mehr für nahestehende Personen aufgeführt. Ärzte und Pflegekräfte, die anfangs ausdrücklich erwähnt worden waren, werden nicht mehr genannt. Denn die Ärzteschaft hatte diesen Punkt herausgepickt und war lautstark gegen den Entwurf losgegangen. Wenn Ärzte und Pflegekräfte beim assistierten Suizid straffrei blieben, sofern sie eine enge Beziehung zu dem Sterbewilligen haben, werde damit eine Rechtsgrundlage für Ärzte als Sterbehelfer geschaffen, kritisierte etwa Ärztekammerpräsident Frank Ulrich Montgomery. Die Selbstverpflichtungen der Ärzteschaft verbieten die Beihilfe zu Suiziden.



Auch ohne die explizite Nennung von Ärzten und Pflegekräften ist für die katholische Kirche der Gesetzentwurf nicht akzeptabel. Ethikrat-Mitglied Weihbischof Aton Losinger betonte, auch die Beihilfe zu einem Suizid durch nahestehende Verwandte sei "mit dem Begriff von Zuwendung, Nähe, Hilfe und Liebe, die wir einem sterbenden Menschen zu kommen lassen wollen, vollständig unvereinbar".



Der Fall Kusch

Den Sterbehilfe-Gegnern geht der Gesetzentwurf aber auch generell nicht weit genug. Sie stört vor allem der Begriff "gewerbsmäßig". Davon wären nur Personen und Organisationen erfasst, die sich durch Sterbehilfe "eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang" verschaffen wollen. Diese Formulierung weckt bei Montgomery schlechte Erinnerungen. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Sterbehelfer einfach auf eine Organisationsform ausweichen, die das Kriterium der Gewerbsmäßigkeit nicht erfüllt", sagte er.



Gemeint ist der Fall Roger Kusch. Der ehemalige Hamburger Justizsenator half 2008 mit seinem Verein "Dr. Roger Kusch Sterbehilfe" fünf Menschen beim Suizid und kassierte dafür jeweils 8.000 Euro. Nachdem ihm das vor Gericht verboten wurde, gründete Kusch 2010 den Verein "Sterbehilfe Deutschland", der Mitglieder bei der Selbsttötung begleitet - ohne Honorar. Sie zahlen aber pro Jahr 100 Euro Mitgliedsbeitrag.



Der Vorstand der Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, äußerte heftige Kritik an dem Entwurf. Damit würden gefährliche Freiräume geschaffen, sagte Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Er stärke die Befürworter des assistierten Suizids. Gerade weil die geschäftsmäßige, auf Wiederholung ausgerichtete Beihilfe zum Suizid nicht unter Strafe gestellt werde, würden sich organisierte Suizidhelfer in ihrem Tun bestätigt fühlen. "Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass jetzt schnell der Ruf nach Zulassung von tödlichen Medikamenten laut wird", so Brysch. Er warf der Bundesjustizministerin vor, als Beiratsmitglied der Humanistischen Union, Tötung auf Verlagen in Deutschland legalisieren zu wollen. Der jetzige Gesetzentwurf sei ein Schritt in diese Richtung.



Der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider wiederholte die Forderung nach einem Verbot kommerzieller Sterbehilfe. "Es darf kein Geschäft werden, Menschen zum Tode zu bringen", sagte der oberste Repräsentant der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und stellte sich damit hinter das Gesetzesvorhaben. Zugleich verwies Schneider auf die Grenzen des Strafrechts bei ethischen Konflikten: "Man kann nicht alles in Gesetzen regeln."