Zuvor sagte der Minister Reise zum Papst ab - Erzbistum Berlin begründet im domradio Gottesdienstabsage

Oettinger distanziert sich von Rede

Die Affäre Oettinger hat am Montag einen vorläufigen Höhepunkt und die Kirche erreicht: In Berlin wurde ein Gedenkgottesdienst für den verstorbenen ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger abgesagt. Im domradio sagte der Sprecher des Erzbistums, ein Gottesdienst dürfe "nicht Gefahr laufen, politisch missbraucht zu werden". Günther Oettinger hatte am Montag seine geplante Reise zum Papst kurzfristig abgesagt - um sich anschließend von seiner Rede zu "distanzieren".

 (DR)

Oettinger: Damit ist alles gesagt
"Ich halte meine Formulierung nicht aufrecht, sondern ich distanziere mich davon", sagte Oettinger am Montag vor einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Der Ministerpräsident fügte hinzu, er glaube, dass damit alles gesagt sei.

Noch am Sonntag hatte sich Oettinger über ein Bild-Interview "entschuldigt". Oettinger sagte, seine Rede sei anders gemeint gewesen, als dies in der Öffentlichkeit offensichtlich angekommen sei. Er habe deutlich erklärt, dass ihm die Wirkung seiner Trauerrede Leid tue und er sie bedauere. Mit Blick auf seinen verstorbenen Amtsvorgänger betonte er, Filbinger sei nicht ein Gegner des NS-Regimes "im Sinne des Widerstandes" gewesen. Er habe aber in einer "inneren Distanz zum Regime" gestanden, gleichwohl "angepasst wie Millionen andere". Dies könne man ihm und der damaligen Generation vorwerfen.

Merkel: Notwendiger Schritt
Oettinger hatte in seiner Trauerrede das ehemalige NSDAP-Mitglied Filbinger als Gegner des Nationalsozialismus bezeichnet. Filbinger hatte als Marinerichter in der Nazi-Zeit an Todesurteilen gegen Wehrmachtsdeserteure mitgewirkt.

Kanzlerin Merkel wertete Oettingers Entschuldigung dagegen als "wichtigen, aber auch notwendigen" Schritt. Sie erwarte jetzt, dass die Entschuldigung auch gehört werde, sagte die Kanzlerin vor der CDU-Präsidiumssitzung in Berlin.

Gottesdienstabsage in Berlin
Oettinger wollte ursprünglich in Rom an den Feierlichkeiten zum 80. Geburtstag von Benedikt XVI. teilnehmen, fuhr dann aber am Nachmittag nach Berlin

Nach scharfen Protesten sagte das Erzbistum Berlin unterdessen einen geplanten Gedenkgottesdienst für Filbinger ab. Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky habe die Andacht "untersagt", sagte ein Bistumssprecher. Sterzinsky wolle damit verhindern, "dass der Gottesdienst missbraucht und missverstanden wird".

Zentralrat: Das genügt nicht
Der Zentralrat der Juden in Deutschland hielt die erste "Bild-Entschuldigung" Oettingers für nicht ausreichend. Dies sei nur ein erster Schritt, sagte der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan Kramer, am Montagmorgen im Bayerischen Rundfunk.

Dennoch kündigte die Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, anschließend an, sich am Donnerstag mit Oettinger zu treffen. Das kündigte am Montag ein Sprecher der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern an. Das Treffen werde am Donnerstagmorgen um 8.30 Uhr stattfinden. Oettinger hatte zuvor ein Gesprächsangebot unterbreitet, über das eigentlich zunächst das Präsidium des Zentralrates am Donnerstag beraten wollte.

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte am Montag indirekt den Rücktritt Oettingers. "Ich frage mich, wie kann so jemand Ministerpräsident sein?", sagte Roth. Oettingers Äußerung sei "Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen". Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katina Schubert, betonte gleichfalls: "Wer die Verbrechen des Nationalsozialismus relativiert, ist als Ministerpräsident eines Landes nicht akzeptabel." FDP-Generalsekretär Dirk Niebel forderte die CDU zu einer Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ihrer Mitglieder auf.

Umfrage: Oettingers Entschuldigung reicht nicht aus
Die "Entschuldigung" Oettingers für seine umstrittene Filbinger-Rede am Montagmorgen reicht nach Meinung der Mehrheit der Bundesbürger nicht aus. Laut einer am Montag veröffentlichten Forsa-Umfrage für das Online-Magazin "stern.de" sind 47 Prozent der Befragten der Ansicht, dass Oettinger seine verharmlosenden Äußerungen über Hans Filbinger zurücknehmen sollte. 33 Prozent der Befragten sind dagegen und 20 Prozent antworteten mit "weiß nicht".

Auch unter den Anhängern der Union plädieren 45 Prozent dafür, dass sich der Ministerpräsident von seiner Rede distanziert, 39 Prozent sind nicht dieser Ansicht. Während 59 Prozent im Osten Deutschlands eine Rücknahme der Rede fordern, sind dies im Westen 44 Prozent. In Baden-Württemberg spricht sich sogar eine deutliche Mehrheit von 60 Prozent dafür aus, dass sich Oettinger von seiner Rede distanzieren soll, nur 33 Prozent sind dagegen.

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