Lehmann verurteilt Morde von Malatya
Nach dem Mord an einem italienischen Priester und Überfällen auf zwei weitere Geistliche im vergangenen Jahr gebe dieses Verbrechen Anlass zu wachsender Sorge um die wenigen Christen, die ihren Glauben in der Türkei leben, so Lehmann.
Lehmann appellierte an die türkischen Behörden, die Hintergründe der Tat rückhaltlos aufzuklären. Das Menschenrecht auf Religionsfreiheit sei "wirksam zu gewährleisten". Dies umfasse auch das Recht, mit friedlichen Mitteln aktiv für die Verbreitung des eigenen Glaubens einzutreten. Angehörige religiöser Minderheiten, die dieses Recht in Anspruch nähmen, seien zu schützen.
Am Mittwoch töteten vermutlich islamistisch und nationalistisch motivierte Angreifer die drei Mitarbeiter des christlichen "Zirve"-Verlags.
Zehn Personen festgenommen
Nach dem Mord hat die Polizei insgesamt zehn Personen festgenommen. Türkische Zeitungen berichteten, in den Verhören hätten die Angreifer gestanden, die Christen aus islamistischen und nationalistischen Motiven getötet zu haben. Der türkische Ministerpräsident Erdogan, die EU sowie Kirchen und Muslime in Deutschland verurteilten den Anschlag. Der türkische Außenminister Abdullah Gül versprach mehr Schutz für Christen.
Bei dem Deutschen, der unter den drei Todesopfern ist, handelt es sich Medienberichten zufolge um den 46-jährigen Übersetzer Tilman G., der seit mehreren Jahren mit Frau und drei Kindern in Malatya lebt. Die beiden türkischen Opfer sind nach Einschätzung von Beobachtern vom Islam zum Christentum konvertiert. Den gefesselten Männern waren die Kehlen durchgeschnitten worden.
Unmittelbar nach den Morden waren vier junge Männer noch in den Räumen des christlichen "Zirve"-Verlags verhaftet worden. Ein Mann, der kurz vor Ankunft der Polizei aus dem Fenster sprang und sich schwere Verletzungen zuzog, gilt als Anführer der Angreifer. Über Nacht nahm die Polizei fünf weitere Personen fest.
Religiös motivierte Tat
Gouverneur Halil Ibrahim Dasöz äußerte sich nicht zu deren Identität, sagte aber, alle seien zwischen 19 und 20 Jahre alt. Medienberichten zufolge wurde bei den Männern ein Zettel gefunden, auf dem sie ihre Tat ankündigten. "Wir gehen in den Tod und kehren vielleicht nicht wieder", hieß es dort. Fünf mutmaßliche Angreifer hatten zusammen in einem von einer islamischen Stiftung betriebenen Wohnheim in Malatya gelebt.
Der Vatikan-Botschafter in der Türkei, Antonio Lucibello, sagte, er sehe in dem Mord keinen Ausdruck wachsender Feindschaft gegenüber Christen. Die Gewalttat hänge vielmehr mit der Nervosität der Türken im Wahlkampf um das Präsidentenamt zusammen, meinte der Nuntius. Ministerpräsident Erdogan könnte Anfang Mai vom Parlament zum Staatschef gewählt werden. Er gilt als gemäßigter Islamist und ist deshalb in den laizistisch geprägten Kreisen der türkischen Politik stark umstritten.
Kein EU-Beitritt ohne Religionsfreiheit
Unterdessen forderten Union und FDP die Türkei auf, die Religionsfreiheit zu garantieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, die Bluttat sei kein Einzelfall. Zu einer umfassenden Aufklärung gehöre auch, "den geistigen Nährboden trockenzulegen, auf dem Gewalttaten wie diese gedeihen". Der Religionsbeauftragte der FDP, Hans-Michael Goldmann, betonte, es sei mit Blick auf den EU-Betrittsprozess nicht hinnehmbar, dass die Religionsfreiheit in der Türkei nicht verwirklicht sei.
Das Internationale Katholische Missionswerk missio forderte die Bundesregierung auf, Druck auf die Türkei auszuüben. Der Türkei-Experte von missio, Otmar Oehring, sagte der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), der Nationalismus in der Türkei werde immer aggressiver. Er treffe alle Bevölkerungsgruppen, die nicht die türkische Sprache sprächen oder sunnitische Muslime seien. Die Gewalt gegen alles Fremde und Westliche nähre sich auch aus einem Minderwertigkeitskomplex, der während der Beitrittsverhandlungen zur EU noch gewachsen sei.
"Es sind Menschen deshalb ermordet worden, weil sie Christen sind"
Besorgt über die Sicherheit der Christen in der Türkei äußerte sich auch der Pfarrer der deutschen Auslandsgemeinde in Istanbul, Holger Nollmann. Erstmals habe sich ein gewalttätiger Anschlag gezielt gegen eine türkisch-protestantische Gemeinde gerichtet, sagte er in einem epd-Gespräch. "Es sind Menschen deshalb ermordet worden, weil sie Christen sind", so Nollmann. "Die Befürchtung ist nicht von der Hand zu weisen, dass das zunimmt.
Vor der Berliner Landessynode sagte Bischof Huber, es werfe ein grelles Licht auf die Lage der christlichen Minderheit in der Türkei, dass die Verbreitung der Heiligen Schrift mit einer Mordtat beantwortet werde. Das Geschehen in Malatya zeige, wie eng Religionsfreiheit und Überwindung von Gewalt zusammenhingen. Bis heute werde den Kirchen in der Türkei ein verlässlicher Rechtsstatus verweigert: "Seit Jahrzehnten müssen sie um ihr Eigentum, das Recht auf Ausbildung ihrer Geistlichen, ja ihre Existenz kämpfen", so der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Auch Muslime verurteilen Tat
Der Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland (KRM) verurteilte die Morde. "Es gibt keine religiöse Rechtfertigung", erklärte sein Sprecher Ayyub Axel Köhler in Köln. Er hoffe, dass jetzt alle der Versuchung widerstünden, Christen und Muslime gegeneinander auszuspielen.
Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) erklärte, es müsse offen über die Entwicklungen in der Türkei gesprochen werden. Alle türkischen Politiker seien gefordert, ihre Äußerungen über Minderheiten zu reflektieren. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) appellierte an Bundesregierung und Bundestag, die zunehmend antichristliche Entwicklung in der Türkei nicht länger zu beschönigen.
missio im domradio: Falsches Verständnis von Nationalismus in der Türkei - Tatverdächtige gestehen
Lehmann verurteilt Morde von Malatya
Kardinal Karl Lehmann hat die Ermordung der drei Mitarbeiter eines Bibelverlags im türkischen Malatya verurteilt. Er habe die Nachricht "mit Erschütterung und Abscheu" aufgenommen, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Freitag. - "Das Grundproblem der Türkei ist ein falsches Verständnis von Nationalismus", kritisiert im domradio-Interview der Berater der türkischen Bischofskonferenz Oehring.
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