Käßmann: Netzwerk Mirjam soll Müttern beistehen und Kinder retten - Auch in Karlsruhe toter Säugling in Babyklappe gefunden

Bischöfin trauert um erfrorenen Säugling

Auch einen Tag nach der Entdeckung eines toten Säuglings vor einem "Babykörbchen" am hannoverschen Friederikenstift fehlt von der Mutter jede Spur. Der kleine Junge, dessen Nabelschnur noch nicht abgetrennt war, starb laut Obduktionsbericht an Unterversorgung und Kälteeinfluss. Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann ist als Initiatorin und Schirmherrin des Babykörbchens auch am Donnerstag noch fassungslos: "Unser Netzwerk will Müttern in Not beistehen und Kinder retten. Der Tod eines Babys ist eine entsetzliche und traurige Nachricht."

Autor/in:
Ulrike Millhahn
 (DR)

Die Rechtsmediziner gehen davon aus, dass das Kind mehrere Stunden vor der Klinik auf dem Betonboden in unmittelbarer Nähe der Babyklappe gelegen hat. Ob das Kind bereits tot abgelegt wurde oder erst dort gestorben ist, konnte bisher nicht geklärt werden. Ein Alarm wird erst beim Öffnen der Klappe ausgelöst. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Das Babykörbchen wird zurzeit von Spezialisten des Landeskriminalamtes auf seine Funktionalität überprüft.

Die Bischöfin hofft auf ein schnelles Ergebnis. Sie hatte vor sieben Jahren gemeinsam mit der Diakonie das Projekt "Mirjam - Netzwerk für das Leben" gegründet. Das Babykörbchen war dabei von Anfang an als "allerletzte Auswegmöglichkeit" gedacht, sagt Käßmann. Ihr geht es vor allem darum, dass schwangere Frauen in Konflikten nicht allein gelassen werden. Deshalb gibt es neben dem Babykörbchen, in dem bisher acht Säuglinge abgelegt wurden, auch ein Notruftelefon. Unter der Nummer 0800/60 500 40 werden Anruferinnen Tag und Nacht beraten. Unter den mehr als 10.000 Anrufen waren bisher 800 ernsthafte Anfragen, sagt Käßmann.

Außerdem können sich Frauen vor und nach der Geburt in diversen diakonischen Einrichtungen Hannovers betreuen lassen. Sie erhalten Wohnmöglichkeiten und Unterstützung in der Ausbildung und im Beruf. 44 Frauen konnte das Projekt bisher helfen. Das "Netzwerk Mirjam" gilt mit seinen Angeboten rund um Schwangerschaft und Geburt als das umfassendste in Deutschland.

Insgesamt gibt es bundesweit rund 80 sogenannte Babyklappen. Die erste wurde 2000 in Hamburg eröffnet. Der Adoptionsexperte des Kinderhilfswerks terre des hommes, Bernd Wacker, sagte, Babyklappen seien "nicht das richtige Instrument", um
die Probleme von Müttern zu lösen, die ihr Kind nicht behalten
wollen. Kinderklappen stifteten vielmehr Schaden. Das tote Baby von Hannover sei "ein weiteres Paradebeispiel". Frauen in so einer Extremsituation könnten selten rational abwägen und entscheiden. Daher greife das Argument nicht, dass Frauen ihr Kind eher bei einer Babyklappe abgeben, als es zu töten.

Leila Moysich vom Projekt SterniPark in Hamburg wies diese
Argumentation zurück. Seit der Einrichtung der bundesweit ersten Babyklappe durch den Verein vor acht Jahren seien dort 31 Kinder gerettet worden, sagte sie. Seither habe es "kein einziges ausgesetztes Baby mehr in der Stadt gegeben". Die Mutter in Hannover habe sich vermutlich beobachtet gefühlt oder die Klappe sei defekt gewesen.

Experten plädieren seit langem dafür, vor allem die Beratungsarbeit zu verbessern, um die Frauen vor unbedachten Entscheidungen zu bewahren. Dies ist auch die Absicht des "Netzwerkes Mirjam". 16 Hilfesuchende haben bisher ihr Kind behalten, 28 Frauen haben es zur Adoption freigegeben. Das Babykörbchen ist außerdem so ausgerüstet, dass die Mütter einen Fußabdruck ihres Kindes mitnehmen können, um später ihre Mutterschaft beweisen zu können.

Auch in Karlsruhe toter Säugling in Babyklappe gefunden
In Karlsruhe ist ein toter Säugling in einer Babyklappe gefunden worden. Das erst wenige Stunden alte und in ein
Leintuch gewickelte Baby wurde in Nacht zum Donnerstag von
Mitarbeitern der von der Hardtstiftung betreuten Einrichtung
entdeckt, wie Polizei und Staatsanwaltschaft mitteilten.

Das neugeborene Mädchen hatte nach Auskunft des Notarztes keine
äußeren Verletzungen. Klarheit über die Todesursache soll eine von der Staatsanwaltschaft angeordnete Obduktion des Leichnams geben. Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen wegen Totschlags aufgenommen.