Kardinal Lehmann tritt in die zweite Reihe

"Person und Ereignis zugleich"

Kein offizieller Akt mehr, keine Schlüsselübergabe. Seit Montagmorgen null Uhr ist Kardinal Karl Lehmann nicht mehr Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. Der 71-Jährige bleibt nun Bischof von Mainz.

 (DR)

Lehmann prägte die katholische Kirche in Deutschland über gut zwei Jahrzehnte. Von einer "Ära" will er nicht sprechen. Aber dass es auch für Bischöfe wohl eine Ära ist, zeigt deren Entscheidung für seinen Nachfolger Zollitsch, einen "Lehmann-Mann". Wehmut und Dankbarkeit prägten die Atmosphäre, als die Vollversammlung der Bischöfe Anfang der Woche den Abschied feierte und der stellvertretende Vorsitzende der Konferenz, Bischof Heinrich Mussinghoff, das Wort ergriff.

"Person und Ereignis zugleich", beschrieb er den Weggefährten. Und verwies auch auf Lachen und Humor, sprach vom "fragenden und suchenden Menschen".

Impulsgeber
Als Theologe, der in Rom das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) miterlebte, steht Lehmann für die dialogbereite und -fähige Kirche der Bundesrepublik. Als Vorsitzender der Bischofskonferenz gab er Impulse - in gesellschaftlichen Grundfragen wie im ökumenischen Gespräch. Nach dem Fall der Mauer führte er die Katholiken aus Ost- und Westdeutschland zusammen. In der Mediengesellschaft wird er ein gern gefragtes Gegenüber der Journalisten bleiben.

Kommunikation und Argumentation seien "für die heutige gesellschaftliche Situation der Kirche unersetzlich", meint der Kardinal. Seit langem sorgt er für neue Akzente der Bischofskonferenz in der Seelsorge, für einen gelingenden Generationswechsel in der Führung vieler Diözesen, für konsolidierte Finanzen. Nach wie vor liest er schiere Unmengen; er könnte sofort wieder als Professor einsteigen, wenn er nicht mindestens so sehr auch Seelsorger wäre.

In der Begründung seines Rücktritts erläuterte Lehmann, es seien im Laufe der Zeit "immer mehr regelmäßig wiederkehrende Termine" geworden. Dazu zählen die Reisen des Kardinals nach Rom sowie die Präsenz in Berlin. An die 40 Mal pro Jahr war Lehmann an der Spree.

"Ich habe mich nach Kräften bemüht"
Längst nicht jedes Gespräch, zu dem ihn Bundespräsident oder Kanzlerin geladen hatten, wurde öffentlich. Seine Fähigkeit, Brücken zu bauen, tue "der Politik gut", meinte Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Und sie tut dem Politiker als Mensch gut." Der Kardinal werde für sie persönlich und für die Politik ein geschätzter Gesprächspartner bleiben, meinte sie, nachdem sie mit Lehmann nach der Rücktrittsankündigung telefonierte.

"Ich habe mich nach Kräften bemüht." Die Zwischenbilanz, die Lehmann im September zum "20-Jährigen" als Vorsitzender der Bischofskonferenz zog, bleibt ein gutes Motto für die 7.447 Tage Amtszeit. Dabei ist er, wie die deutlichen Warnungen der Ärzte im Dezember wohl zeigten, auch über seine Kräfte hinausgegangen. Das gilt sicher für jene Konflikte, die er seit der Amtsübernahme 1987 ausgestanden hat.

Dazu zählen nicht nur die Kontroversen mit dem Vatikan um die Beteiligung der Kirche am staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung oder um den seelsorgerlichen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, bei denen beide Seiten einander viel abverlangten. Beim Ringen mit Rom galt Lehmann manchem als Wortführer der Kritiker - der war er nie. Immer wieder betonte er seine Loyalität. Dafür steht auch die Erhebung zum Kardinal 2001 durch Papst Johannes Paul II.

Noch nie hatte die Bischofskonferenz einen ehemaligen Vorsitzenden in ihren Reihen. "Die sind alle vorher gestorben. Vielleicht darf ich noch eine Weile bleiben", sagte Lehmann nun in Würzburg. Er wird kürzer treten, eine neue Rolle hat er schon gefunden. Der Kardinal übernahm den Vorsitz der Glaubenskommission der Bischöfe. Er wird sich da gewiss nicht schonen.

Von Christoph Strack (KNA)