Bischöfin Käßmann für symbolische Proteste

Olympia-Debatte

Die Debatte um die Olympischen Spiele in Peking hält an. Nachdem am Wochenende der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, mit einem Boykott gedroht hat, spricht sich nun die evangelische Bischöfin Käßmann diesen Schritt ab. Ganz ungeschoren will sie China aber auch nicht davon kommen lassen.

 (DR)

"Das halte ich für keine angemessene Reaktion", sagte Käßmann im epd-Gespräch. Stattdessen sprach sich die Bischöfin der größten evangelischen Landeskirche in Deutschland für symbolische Aktionen aus: "Ich würde alle, die anreisen, ermutigen, ihr Engagement für die Menschen- und Freiheitsrechte, für Demokratie und Religionsfreiheit deutlich sichtbar zu machen."

Das habe mehr Wirkung als ein Boykott und mache den Menschen Mut, die sich vor Ort mit ihrem Leben für Freiheit einsetzten, sagte Käßmann
weiter: "Über Gäste aus dem Ausland hat die Diktatur keine Macht." Sie könne sich zum Beispiel vorstellen, dass Ausländer durch das Tragen einer schwarzen Armbinde bei der Eröffnungsfeier Solidarität mit den Menschen zeigten, deren Rechte so grausam verletzt würden, erläuterte die Bischöfin.

Das olympische Komitee habe bei seiner Entscheidung für China sehr wohl gewusst, dass es sich dabei um ein Land handele, das die Menschenrechte nicht respektiere, sagte Käßmann weiter. Ein Boykott wäre für die Sportlerinnen und Sportler, die sich jahrelang auf die Wettkämpfe vorbereitet hätten, wenig sinnvoll. Das gelte auch für jene Menschen in China, die sich für Freiheit und Demokratie engagierten.

Als Christin sehe sie eine grausame Gleichzeitigkeit zwischen dem Osterfest und den Protesten in Tibet, sagte Käßmann weiter: "Hier feiern wir als Christen die Auferstehung Jesu und das neue Leben an Ostern. Dabei wissen wir, dass Menschen in Tibet, vor allem gläubige Buddhisten, brutal unterdrückt werden."

Pöttering droht Peking
Nach dem massiven Aufmarsch des chinesischen Militärs in Tibet wird in der Europäischen Union der Ton gegenüber der Regierung in Peking schärfer. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering (CDU), drohte am Ostersonntag mit einem Boykott der Olympischen Spiele.

Pöttering sagte: "Peking muss sich entscheiden. Es sollte unverzüglich mit dem Dalai Lama verhandeln. Bleiben Signale der Verständigung aus, halte ich Boykottmaßnahmen für gerechtfertigt." Er fügte hinzu: "Wir sollten einen Boykott der Olympischen Spiele in Peking nicht ausschließen. Wir wollen erfolgreiche Spiele - aber nicht zum Preis des kulturellen Völkermords an den Tibetern, von dem der Dalai Lama spricht."

Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn forderte eine gemeinsame Initiative der EU-Länder. Man müsse den Chinesen "jetzt klar und offen sagen, dass sie die fröhlichen und unbeschwerten Spiele nicht bekommen werden, wenn sie mit der die Menschenrechte missachtenden Politik nicht aufhören". Auch müssten die Sportverbände "endlich mehr tun, als nur zu sagen 'Sport ist Sport'".

Der CDU-Außenpolitiker Eckart von Klaeden warnte vor Drohungen. Er halte nichts davon, jetzt über einen Boykott zu spekulieren. "Dass der Boykott der Spiele eine Ultima Ratio ist, wissen die Chinesen auch ohne Drohgebärden unsererseits", fügte er hinzu. Vielmehr solle man Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao beim Wort nehmen, der zuletzt angekündigt habe, internationale Beobachter nach Tibet einreisen zu lassen.

Auch der Vorsitzende des Sportausschusses des Bundestages, Peter Danckert (SPD), und der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), Michael Vesper, lehnen einen Boykott ab. Danckert sagte, dem Sport würde damit eine Verantwortung übertragen, der er nicht gerecht werden könne. Was die Einhaltung der Menschenrechte angehe, sei vor allem die Politik gefragt.

Danckert forderte zugleich vom Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, Jacques Rogge, gemeinsam mit DOSB-Chef Thomas Bach Gespräche mit Peking zu führen. Den Verantwortlichen in China müsse klar gemacht werden, "welcher Schatten auf die Olympischen Spiele zu fallen droht, wenn das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten nicht beendet wird". DOSB-Generaldirektor Vesper argumentierte, ein Boykott würde vor allem die Athleten treffen.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) will den Rechtsstaatsdialog Deutschlands mit China trotz der gewaltsamen Unterdrückung der Unruhen in Tibet um weitere zwei Jahre verlängern. "Unsere Philosophie ist der Dialog. Es geht darum, China beim Aufbau rechtsstaatlicher Strukturen zu unterstützen", argumentierte sie. Mitte April werde sie daher mit ihren chinesischen Amtskollegen ein neues Zweijahresprogramm zeichnen.

Nach einer Emnid-Umfrage im Auftrag der "Bild am Sonntag" sprechen sich derzeit 36 Prozent der Deutschen für einen Olympia-Boykott aus. 58 Prozent sagten, Deutschland solle trotz der Ereignisse in Tibet an den Spielen teilnehmen.