UN warnt vor Lebensmittelkrise - Bundestag berät Milleniumsziele

Der "stille Tsunami" Hunger

Bereits heute leiden weltweit 850 Millionen Menschen an Unterernährung. Und ihre Zahl wird weiter steigen - damit rechnen die Vereinten Nationen. Als "stillen Tsunami" bezeichnete das Welternährungsprogramm die aktuellen Lebensmittelkrise nun. Die wachsende Ernährungsgefahr beschäftigte am Mittwoch auch den Bundestag.

 (DR)

Deutschland stockt seine Hilfen für die von Lebensmittelkrisen betroffenen Länder kurzfristig um zehn Millionen Euro auf. Das kündigte Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) am Mittwoch im Bundestag an. Damit soll es den internationalen Organisationen ermöglicht werden, besser auf die aktuelle Krise zu reagieren, die nach den Worten der Ministerin die Stabilität in Dutzenden Entwicklungsländern gefährden könne. Als einen der stärksten Preistreiber bezeichnete sie die Produktion von Biomasse.

Landwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) forderte, den internationalen Druck auf Länder zu erhöhen, in denen der Regenwald für den Anbau von Pflanzen für Biokraftstoffe gerodet wird. Zudem plädierte er für eine Neuausrichtung der Entwicklungspolitik. Schwerpunkt müsse die zusätzliche Nahrungsmittelerzeugung in bäuerlicher Landwirtschaft werden, sagte Seehofer. Schließlich gingen Prognosen von einem um 60 Prozent steigenden Nahrungsmittelbedarf in den nächsten Jahren aus.

UN: 100 Millionen Menschen gefährdet
Die Vereinten Nationen rechnen wegen des weltweiten Anstiegs der Lebensmittelpreise mit einer Zunahme des Hungers in der Welt. Das Welternährungsprogramm (WFP) in Rom beklagte am Dienstag einen "stillen Tsunami". Die Versorgungskrise könnte 100 Millionen Menschen in den Hunger treiben. Derzeit wird die Zahl der Unterernährten weltweit auf rund 850 Millionen Menschen geschätzt.

Auch der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan warnte vor heraufziehenden Hungerkatastrophen. Das WFP muss in wenigen Tagen die ersten Programme zur Verteilung von Lebensmitteln einstellen, da sie wegen der gestiegenen Preise nicht mehr zu finanzieren sind. "Dies ist das neue Gesicht des Hungers", sagte WFP-Exekutivdirektorin Josette Sheeran.

Wie nach dem Tsunami, bei dem Ende 2004 insgesamt 250.000 Menschen starben und zehn Millionen Menschen mittellos wurden, müssten Regierungen, Hilfsorganisationen, Unternehmen und Privatorganisationen gemeinsam für kurz- und langfristige Lösungen sorgen. Falls keine neuen Gelder eingingen, werde das WFP im kommenden Monat allein in Kambodscha sein Schulspeisungsprogramm für 450.000 Kinder einstellen.

Annan macht Klimawandel für die Krise mitverantwortlich
Das Bundesentwicklungsministerium befürchtet, dass Erfolge bei der Armutsbekämpfung zunichte gemacht werden. So sei der Preis für Reis in Bangladesch innerhalb eines Jahres um bis zu 80 Prozent gestiegen.
Deutschland unterstützt dort die Verteilung von Lebensmitteln durch das WFP an mehr als 1,5 Millionen Familien. Zudem wird der Ausbau von Straßen und Märkten unterstützt, um Stadtbewohnern und Bauern den Handel mit Lebensmitteln zu erleichtern.

Kofi Annan, der seit 2007 das Globale Humanitäre Forum in Genf leitet, mahnte mehr Investitionen in die Landwirtschaft der armen Länder an. Die Bauern bräuchten verbilligten Dünger, Transportmittel und besseres Knowhow. Annan machte den Klimawandel für die Krise mitverantwortlich und kritisierte den wachsenden Verbrauch von Mais und Getreide für die Produktion von Biosprit. "Das hat zur Zeit eine negative Auswirkung", so Annan.