Zehn Jahre nach dem brutalen Mord an Bischof Geradi Conedera mahlt Guatemalas Justiz noch

Märtyrer der Menschenrechte

Vor zehn Jahren starb in Guatemala Bischof Juan Gerardi Conedera in seinem eigenen Blut - brutal ermordet, als Märtyrer der Menschenrechte. Bis heute ist der Mord nicht aufgeklärt, denn die Mühlen der guatemaltekischen Justiz mahlen nach eigenen Gesetzen.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Die Mörder hatten auf ihn gewartet. Als der Weihbischof spät abends in die Garage seines Pfarrhauses im Zentrum von Guatemala-Stadt einfuhr und ausstieg, schlugen sie mit einem schweren Stein auf ihn ein, immer wieder - so sehr, dass man ihn später nur noch auf Grund seines Bischofsrings identifizieren konnte.

Nur zwei Tage vor dem feigen Mord hatte der Bischof in der Kathedrale der Hauptstadt seine berühmt gewordene Dokumentation "Nie wieder" (Nunca mas) der Öffentlichkeit übergeben. In diesem Bericht zur "Wiedererlangung der historischen Gedächtnisses" (REMHI) wurden 50.000 der mehr als 200.000 Menschenrechtsverbrechen aus dem 36 Jahre dauernden Bürgerkrieg Guatemalas dokumentiert. Gerardi benannte Ross und Reiter - und unterschrieb damit sein eigenes Todesurteil.

Die Verfolgung der Hintermänner schleppt sich lähmend dahin
Kardinal Rodolfo Quezada Toruno, der ab 1988 gemeinsam mit Gerardi in einer "Nationalen Versöhnungskommission" die Friedensabkommen von
1996 vorbereitet hatte, wiederholte auch in seiner Predigt zum Todestag im vergangenen Jahr die Forderung, die Planer und wahren Hintermänner des Mordes zu finden. Denn im Gefängnis sitzen nach wie vor nur jene, die das schmutzige Geschäft verrichteten: Die Militärs Lima Estrada, Lima Oliva und Jose Obdulio Villanueva wurden zu je 30, der Priester Mario Orantes, der sich mit Gerardi die Arbeit in seiner Pfarrei San Sebastian geteilt hatte, zu 20 Jahren Haft verurteilt. Villanueva wurde später im Gefängnis ermordet.

Mit Orantes ist mindestens ein Priester, wahrscheinlich auch ein zweiter - der verstorbene Prälat Efrain Hernandez - in den Fall verwickelt. Vom Tag des Mordes an wurden Gerüchte gestreut, die von einem "Verbrechen aus Leidenschaft" unter Homosexuellen bis zu Mordplänen innerhalb der kirchlichen Wahrheitskommission reichten. Selbst in Kirchenkreisen wurde gemunkelt und gezweifelt. Ihr Ziel der Verunsicherung und Verleumdung erreichten die Informanten aus vermeintlich "gut unterrichteten Kreisen" allemal.

Die Verfolgung der Hintermänner schleppt sich lähmend langsam hin in einem Land, das auch nach Ende des Bürgerkriegs weiter von Gewalt geprägt ist. Mehr und mehr geben in Guatemala Drogenbosse den Ton an und entscheiden in den Straßen der Hauptstadt über Leben und Tod.
6.000 Morde gab es allein im vergangenen Jahr - die allermeisten Täter bleiben unbehelligt. Auch die Haftstrafe gegen die beiden am Gerardi-Mord beteiligten Militärs wurde 2005 auf 20 Jahre reduziert. Ein weiteres Berufungsgesuch der Täter lehnte das Verfassungsgericht allerdings im April 2007 ab. Allein das wertete das kirchliche Menschenrechtsbüro schon als Erfolg.

Gerardis Versöhnungsarbeit wird fortgesetzt
Unter schwierigsten Bedingungen versucht Guatemalas Kirche unterdessen, Gerardis Versöhnungsarbeit zur Überwindung des Bürgerkriegs weiterzuführen: etwa mit Wahrheitskommissionen auf lokaler Ebene, wo während des Bürgerkriegs zahllose Dörfer dem Erdboden gleichgemacht wurden, Menschen zu Tausenden verschwanden. Viele Überlebende der Gewalt haben bis heute nicht geredet. Zu tief sitzen die Traumata von Folter, Mord und Vergewaltigung, zu tief das Misstrauen gegen den Nachbarn, der damals zu den Tätern gehörte.

Auch an diesem Jahrestag des Mordes an Bischof Gerardi wird die Kathedrale von Guatemala-Stadt, wo er einst den staatlichen Behörden seinen Bericht übergab, bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Auch und gerade in diesem Jahr werden sie Gerechtigkeit fordern. Gerechtigkeit und Schutz - für Bischof Alvaro Ramazzini Imeri, den geistigen Nachfolger Gerardis. Er hat erst dieser Tage neue Morddrohungen erhalten.