Die "Aktion Sühnezeichen" feiert Jubiläum

Zeichen der Versöhnung

Zum Auftakt einer Festwoche anlässlich des 50-jährigen Bestehens der "Aktion Sühnezeichen" hat Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit die Verdienste der Organisation bei der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit hervorgehoben. - domradio blickt zurück auf die Geschichte der Aktion.

Autor/in:
Barbara Schneider
 (DR)

Die Zahlen spiegeln das Grauen des Nationalsozialismus: 50 Millionen Tote, darunter annähernd sechs Millionen Juden. "Ein frevlerischer Aufstand gegen Gott", erklärte der Magdeburger Präses Lothar Kreyssig bereits 1958. Sein Appell wurde zur Geburtsstunde der Aktion Sühnezeichen.

Es war ein für die damalige Zeit seltenes Schuldeingeständnis, bei dem es nach dem Willen des Juristen auch nicht bleiben sollte: "Wir bitten die Völker, die Gewalt von uns erlitten haben, dass sie uns erlauben, mit unseren Händen und mit unseren Mitteln in ihrem Land Gutes zu tun, ein Dorf, eine Siedlung, eine Kirche, ein Krankenhaus oder was sie sonst Gemeinnütziges wollen, als Versöhnungszeichen zu errichten," so Kreyssig auf der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin.

Bereits ein Jahr nach dem Gründungsaufruf werden die ersten Deutschen ins Ausland geschickt. Im südniederländischen Outdorp bauen sie eine Feriensiedlung für Arbeiter. In der norwegischen Finnmark errichten sie eine Kirche. Seit diesen Anfängen haben 10.000 junge Menschen an Arbeitseinsätzen im In- und Ausland teilgenommen. Einer von ihnen ist der Regisseur Robert Thalheim. Seine Erfahrungen als Freiwilliger in Auschwitz hat er in dem Film "Am Ende kommen Touristen" beschrieben, der im vergangenen August in den Kinos anlief.

Bis heute arbeiten Freiwillige in Gedenkstätten
"Die Geschichte des Nationalsozialismus ist in unserer Gesellschaft gegenwärtig und prägt die Kommunikation zwischen den Ländern", resümiert Geschäftsführer Christian Staffa. Nicht mit Worten, sondern durch Taten will die Organisation für die Folgen der Geschichte einstehen. Und so arbeiten die Freiwilligen bis heute in Gedenkstätten, betreuen Holocaust-Überlebende oder begleiten Suchtkranke - inzwischen in 13 Ländern weltweit, in den USA oder in Israel, in Polen, Frankreich, Norwegen oder Russland.

Und doch ist das nur die eine Seite der Geschichte. 1958 wurde die Aktion Sühnezeichen von Kreyssig und Pfarrer Franz von Hammerstein bewusst als gesamtdeutsche Organisation gegründet. Doch die Hoffnung auf eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit zerbrach schnell an der politischen Situation. Die Mauer teilte auch die Aktion Sühnezeichen. Während sich in der Bundesrepublik Jahr für Jahr junge Erwachsene zu einem sechs- bis 18-monatigen Auslandseinsatz verpflichteten, blieb das Engagement im Osten auf zwei Wochen im Sommer beschränkt.

1962 lädt Kreyssig dort erstmals zu einem Sommerlager nach Magdeburg
ein: Rund 70 Jugendliche kommen, räumen den Kriegsschutt aus den Kirchenruinen der Domstadt. Es folgen viele Sommerlager, mitunter bis zu 30 pro Jahr, bei denen junge Leute anstelle ihres Sommerurlaubs in
Bau- und Restaurierungsprojekten anpacken.

Sommerlager in staatlichen KZ-Gedenkstätten
"Die SED war klar gegen uns", sagt Christian Schmidt, der bis 1974 die Aktion Sühnezeichen in der DDR geleitet hat. "Sühnezeichen stand ja für eine Schuld, die es nach offizieller DDR-Meinung nicht gab." In den Anfangsjahren blieb das Engagement daher auf kirchliche und diakonische Einrichtungen beschränkt. Erst in den 70er Jahren waren auch Einsätze auf jüdischen Friedhöfen möglich, später gab es sogar Sommerlager in staatlichen KZ-Gedenkstätten.

Ab 1983 leitet Werner Liedtke die Aktion. "Wir konnten unsere Sommerlager immer durchführen", sagt er. Doch stets muss der Ostzweig darum ringen, von den DDR-Behörden nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert zu werden.

Heute, 50 Jahre nach der Gründung, ist Aktion Sühnezeichen wieder eine gemeinsame Aktion. Beide Traditionen, die Sommerlager und die Auslandseinsätze gibt es noch. Inzwischen nehmen auch Jugendliche aus dem Ausland an den Sommerlagern teil, leisten Freiwilligendienste in Deutschland. Und obwohl sich gesellschaftlich seit der Gründungszeit vieles verändert hat, ist eines über die Jahre gleich geblieben: Der Name "Sühnezeichen" sei auch heute noch sperrig, bereite vielen Freiwilligen große Mühe, sagt Staffa. Erst durch die Erfahrungen und Begegnungen erschließe sich für viele der Begriff.

Festwoche
Bis Sonntag feiert die Aktion im Berliner "Haus der Kulturen der Welt" mit verschiedenen Veranstaltungen. Den Höhepunkt bildet am Freitag ein Festakt, zu dem auch Bundespräsident Horst Köhler erwartet wird.