Fast auf den Tag vor 20 Jahren scheiterte der deutsche Kurienkardinal Joseph Ratzinger mit dem Versuch, eine Einigung mit den Traditionalisten des französischen Alt-Erzbischofs Marcel Lefebvre zu erzielen. Trotz weitgehender Zusagen von Papst Johannes Paul II. kam es nicht zur Aussöhnung. Entgegen der eindringlichen Warnung Roms weihte Lefebvre am 30. Juni 1988 unerlaubt vier Bischöfen für seine «Priesterbruderschaft Pius X.» und wurde exkommuniziert. Das Schisma infolge des Widerstands gegen das Zweite Vatikanische Konzil war perfekt - 107 Jahre nach der Abspaltung der Altkatholiken nach dem Ersten Vatikanum.
Derzeit bemüht sich der Vatikan, diesmal mit Ratzinger als Papst Benedikt XVI., erneut um eine Annäherung. Ein Sprecher von Lefebvre-Nachfolger Bernard Fallay bestätigte im schweizerischen Menzingen, dass der Vatikan einige Vorschläge gemacht habe, die man bis 28. Juni beantworten werde.
Von einem «Ultimatum» an die Traditionalisten, wie italienische Zeitungen titelten, könne nicht die Rede sein, heißt es in Kurienkreisen. Eine neue Situation besteht allerdings insofern, als der Papst den Lefebvrianern in Fragen der Liturgie - einem der Streitpunkte, aber nicht dem einzigen - deutlich entgegengekommen ist. Vor einem Jahr gab er mit seinem Motu Proprio dem vorkonziliaren Messritus wieder mehr Platz in der katholischen Liturgie.
Aber in diesem Streitfall geht es um mehr. Bevor die damaligen Verhandlungen scheiterten, hatten Ratzinger und Lefebvre am 5. Mai
1988 ein Fünf-Punkte-Protokoll unterzeichnet. Der «Rebellen-Bischof» erklärte «in seinem Namen und dem der Bruderschaft": Treue zur katholischen Kirche und zum Papst, Annahme der Konzilsaussagen über das kirchliche Lehramt, Verzicht auf jede Polemik gegen das Zweite Vatikanum, Anerkennung der Gültigkeit der Messe und der Sakramente in der von Paul VI. und Johannes Paul II. promulgierten Form, Respekt vor dem Kirchenrecht. Dafür sagte der Vatikan der Priesterbruderschaft den Rang einer «Gesellschaft des Apostolischen Lebens» zu, die ihre bisherigen liturgischen Bücher weiterbenutzen dürfe.
Doch über Nacht zog Lefebvre seine Zustimmung zurück, offenbar unter dem Druck von Hardlinern seiner Bewegung. In einem Brief vom 2. Juni fasste er seine Differenzen mit dem «vom Modernismus verseuchten Rom» zusammen und rechtfertigte seine Opposition: «Der falsche Ökumenismus, der am Ursprung aller Erneuerungen des Konzils steht, in der Liturgie, in den neuen Beziehungen von Kirche und Welt, in der Auffassung von der Kirche selbst, führt die Kirche zu ihrem Untergang und die Katholiken zum Glaubensabfall». Trotz der höflichen Gespräche mit Kardinal Ratzinger sei «der Augenblick einer freien und wirksamen Zusammenarbeit» noch nicht gekommen. Wenn Rom wieder zum katholische Rom werde und zu seiner 2.000-jährigen Tradition zurückfinde, erübrige sich das «Problem der Versöhnung».
Lefebvre weihte also am 30. Juni 1988 vier Bischöfe und zog sich gemeinsam mit ihnen die Exkommunikation zu. Die Fronten verhärteten sich. Der Vatikan ließ eine eigene konservative Priesterbruderschaft, Sankt Peter, und andere zu und sammelte in ihren jene Traditionalisten, die nach dem Fünf-Punkte-Protokoll dem Papst die Treue halten wollten. Im Vatikan entstand für diesen Tätigkeitsbereich die Kommission «Ecclesia Dei», die nach dem Motu Proprio von 2007 nochmals gestärkt und aufgewertet wurde.
Das Protokoll vom 5. Mai 1988 dürfte nun auch die Grundlage für weitere Verhaltungen und Versöhnungsbemühungen bilden. Im Übrigen würde Benedikt XVI. damit jene Linie fortsetzen, die er damals wenige Wochen nach dem Eklat vorgab. Die Kirche müsse das Schisma «von innen her überflüssig machen», sagte er Ende Juli 1988 vor Bischöfen in Santiago de Chile. Das «Schisma Lefebvre» werde keinen Bestand haben, wenn in der Liturgie, in der Beurteilung des Konzils und in der Wahrheitsfrage wieder stärker die «Ganzheit des Katholischen» zum Ausdruck komme.
Denn unabhängig von eindeutigen Irrtümern Lefebvres, von «Verengung und Vereinseitigung» müsse sich die Kirche fragen, wo es bei ihr an Eindeutigkeit gefehlt habe. Jetzt liegt es an Fellay und seinen Gefolgsleuten, ob sie auf die vatikanische Offerte eingehen. Wie die Entscheidung auch ausfällt: Für die Priesterbruderschaft Pius X.
bedeutet die Diskussion einen Klärungs- und Entscheidungsprozess.
Rom und Anhänger Lefebvres sind wieder im Gespräch
Neuer Anlauf für eine Einigung
In die Auseinandersetzung zwischen dem Vatikan und der konservativ-traditionalistischen "Priesterbruderschaft St. Pius X." ist Bewegung gekommen. Die in der Schweiz ansässige Gruppierung, die sich um den verstorbenen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) bildete, bestätigte eine Aufforderung Roms, bis Samstag eine Fünf-Punkte-Erklärung zu unterzeichnen - ein mögliches Signal für eine Überwindung der seit 1988 dauernden Spaltung.
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