Die Spaltung der anglikanischen Kirche wird immer wahrscheinlicher

Jerusalemer Erklärung mit Folgen

Eine Spaltung innerhalb der weltweiten anglikanischen Kirche zeichnet sich immer deutlicher ab. Die Teilnehmer der Globalen Anglikanischen Zukunftskonferenz (GAFCON) in Jerusalem haben am Sonntag einen siebenköpfigen Bischofsrat eingesetzt, der künftig als Beschlussgremium des konservativen Kirchenflügels dienen soll.

 (DR)

Mitglieder des Rates sind derzeit ausschließlich afrikanische Bischöfe, unter anderem der nigerianische Erzbischof Peter Akinola und der ugandische Erzbischof Henry Orombi. Angesichts des Abweichens liberaler Kirchenführer von der "rechten Lehre" sei der Aufbau eigener Strukturen für traditionell eingestellte Anglikaner eine pastorale Notwendigkeit, heißt es in dem am Sonntag verabschiedeten Abschlussdokument "Jerusalemer Erklärung".

Mehr als 1.000 vor allem afrikanische Kirchenvertreter, darunter 291 Bischöfe, hatten eine Woche lang über den Umgang mit der "größen kirchlichen Krise seit der Reformation" diskutiert. Diese war 2003 durch die Weihe eines homosexuellen Bischofs eskaliert. Der konservative Kirchenflügel, der etwa die Hälfte der rund 78 Millionen Anglikaner weltweit vertritt, sieht darin ein eindeutiges Abweichen von der biblischen Lehre und der anglikanischen Tradition. Unter dem Einfluss von "militantem Säkularismus und Pluralismus" sei das Zeugnis der Kirche insgesamt gefährlich geschwächt worden.

Konservative planen eigene Kirchenprovinz
In Nordamerika wollen die Konservativen eine eigene Kirchenprovinz errichten, um Kritikern der dort vorherrschenden liberalen Linie eine Anlaufstelle zu bieten. Bisher hatten abtrünnige Pfarreien in den USA oder Kanada sich traditionellen Bischöfen aus Afrika angeschlossen. Im dadurch entstandenen Streit um den Kirchenbesitz der betroffenen Pfarreien erkennt die Jerusalemer Erklärung zwar prinzipiell die Eigentumsrechte einer Diözese auf ihrem Territorium an, macht jedoch eine Ausnahme für "solche Gegenden, in denen die kirchlichen Führer den rechten Glauben verneinen".

Die Konservativen wollten in liberalen Kirchenprovinzen jedoch nur aktiv werden, wenn von dort "SOS-Rufe" an sie herangetragen würden.
Gezielt für die konservative Bewegung werben werde man nicht, unterstrich Akinola gegenüber Journalisten.

Vorwurf Führungsschwäche
Dem anglikanischen Ehrenprimas Rowan Williams warfen die Mitglieder des neuen Bischofsrates Führungsschwäche vor: Dieser habe es mit seiner ausgleichenden Strategie "allen recht machen wollen und am Ende alle verprellt", sagte Orombi. Angesichts der aktuellen Krise wäre vielmehr ein "klares Wort" notwendig gewesen, um den "faktischen Bruch in der sakramentalen Gemeinschaft" zu verhindern.

Wenn die GAFCON-Teilnehmer auch den "historischen Vorsitz" des Erzbischofs von Canterbury anerkennten, so könne die anglikanische Identität doch nicht von diesem bestimmt werden. Die von GAFCON angestoßene Bewegung entspreche der allgemeinen Entwicklung in einer "post-kolonialen Weltordnung", in der die einstigen Kolonien zunehmend Verantwortung für die gesamte Gemeinschaft übernähmen.

Zu der für Ende Juli angesetzten Lambeth-Konferenz will der GAFCON-Bischofsrat keinen direkten Kontakt aufnehmen. Die eigenen Positionen seien in der Jerusalemer Erklärung unmissverständlich dargelegt, so Orombi. Jetzt gelte es abzuwarten, was in Lambeth dazu beschlossen werde. Unterdessen werde der konservative Flügel jedoch nicht ruhen, sondern mit Eifer den "verlorenen missionarischen Schwung" wiederaufleben lassen. Die alle 10 Jahre stattfindende Lambeth-Konferenz galt bisher als oberstes Beschlussgremium der anglikanischen Weltgemeinschaft.

Die britische Presse bezeichnet die in Jerusalem gegründete "Kirche innerhalb der Kirche in ersten Stellungnahmen als "faktisch schismatisch": Auch wenn sich die konservativen Bischöfe in ihrer Erklärung von einer Spaltung distanzierten, handle es sich doch um die Schaffung einer Parallelstruktur mit eigenen Bischöfen, Priestern und Priesterseminaren, schreibt die Sonntagszeitung "The Sunday Times". Laut BBC wird die Existenz einer "separaten Schattengemeinschaft" weitreichende Auswirkungen auf anglikanische Kirchen weltweit haben und ein "starkes Netzwerk" für "verstimmte Traditionalisten" schaffen.

Die anglikanische Kirche in England hat sich bislang nicht zu der Jerusalemer Erklärung geäußert. Auf der Lambeth-Konferenz werde es genug Zeit geben, um über das Verhältnis der verschiedenen Gruppen zueinander innerhalb der Kirche zu reden, sagte ein Sprecher auf Anfrage der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA).

Mehr zum Thema