Anglikanische Kirche - Spaltung oder Einheit ist eine Frage der Definition

Eiertanz nach Canterbury

Das Spiel geht noch einmal in die Verlängerung. Der konservative Flügel der anglikanischen Weltgemeinschaft hat zwar bei seinem Gegengipfel zur Zukunft der anglikanischen Weltkirche (GAFCON) in Jerusalem die Worte Spaltung und Schisma konsequent vermieden. Doch bei Licht besehen ist der Vorschlag einer "Kirche innerhalb der Kirche" nicht viel anderes, als den Schwarzen Peter der Verantwortlichkeit an der möglichen Trennung letztlich der liberalen Gegenseite zuzuschieben.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
 (DR)

Vor der Jerusalemer Konferenz hieß es, es gebe keinerlei Hoffnung mehr auf eine Fortdauern der Gemeinschaft. Nun lautet der Kurs, eine orthodoxe «Bewegung» oder auch ein Netzwerk innerhalb der Kirche zu etablieren - um jenen «linientreuen Anglikanern» und «verstimmten Traditionalisten» in Kirchenprovinzen zu helfen, die sich von den «traditionellen Lehren der Bibel» abgewandt hätten. Die neue Bewegung soll den Planungen zufolge ihre eigenen Bischöfe, Priester und Priesterseminare bekommen. Und eine eigene Leitung - in Gestalt eines sieben Mitglieder umfassenden Bischofsrates, dem auch der Wortführer des traditionalistischen «Globalen Südens», der Primas von Nigeria Peter Akinola angehört.

Vorbild USA
Kirchliche Parallelstrukturen wie diese gibt es bereits jetzt in den USA. Dort haben sich einzelne Gemeinden afrikanischen Erzdiözesen angeschlossen, weil sie nicht von einheimischen Bischöfinnen, liberalen Bischöfen oder Pfarrern geleitet werden wollen. Betreut werden sie von sogenannten Fliegenden Bischöfen, die buchstäblich zur Seelsorge oder Sakramentenspendung einfliegen. Deutet man die Erklärung des Jerusalemer Gipfels richtig, so sollen diese recht flickenartig anmutenden Strukturen nun bereinigt und durch eine Art konservativer US-Gegen-Kirchenprovinz ersetzt werden.

Dass die Behelfskonstruktion einer «Kirche innerhalb der Kirche», wie nun angekündigt, zu einem gesamtanglikanischen Modell werden könnte, erscheint Beobachtern kaum praktikabel - und noch weniger zukunftsweisend. Eine solche vermeintliche Vielfalt in Einheit schreibt weniger einen gemeinsamen Weg fort denn den Eiertanz, der die anglikanische Weltgemeinschaft seit Jahren lähmt.

Die erkennbare Bruchstelle zwischen Toleranz und Tradition war die Bischofsernennung des bekennend homosexuellen Priesters Gene Robinson 2003 in den USA. Freilich gab es neben dem Thema Homosexualität schon früher auch andere Bau- und Bruchstellen zwischen den beiden Flügeln: die Priesterinnen- oder Bischöfinnenweihe etwa, die in vielen bzw. einigen Nationalkirchen praktiziert wird.

In Jerusalem richtete sich der programmatische Blick des konservativen Lagers - erstmals seit langem - weg von Homosexualität und Geschlechterfragen. Im Fokus stand vielmehr die Kritik am Primas der Mutterkirche von England und Ehrenprimas der Weltgemeinschaft:

Erzbischof Rowan Williams von Canterbury wurde als Hauptschuldiger ausgemacht. Die GAFCON-Teilnehmer werfen ihm fehlende Führungsqualitäten vor, weil er es versäumt habe, die von der biblischen Lehre Abtrünnigen in der Kirche zu disziplinieren. Statt es allen recht zu machen, habe er nun alle verprellt. An seiner Statt wurde in Jerusalem Williams' konservativer Antipode, Bischof Michael Nazir-Ali von Rochester, in diversen Wortmeldungen als Wunschkandidat für eine mögliche Nachfolge als Primas in Position gebracht. (Reaktion Williams)

Wie die rund 300 GAFCON-Bischöfe die Demontage bei der Lambeth Conference Ende Juli durchsetzen wollen, bleibt vorerst unklar - denn die Mehrheit der Teilnehmer kündigte bereits an, das oberste Beschlussgremium der anglikanischen Weltgemeinschaft, boykottieren zu wollen. In der Jerusalemer Erklärung sei alles gesagt, hieß es.

Der Ball liegt nun also im Feld des angeschlagenen Primas. Williams hat zwar ein Heimspiel in Canterbury - doch die eigenen Schlachtenbummler zeigten sich zuletzt eher beeindruckt von der gegnerischen Kulisse und schwiegen still.