Erzbischof Orombi, es wird von einem Schisma in der anglikanischen Kirche gesprochen. Haben Sie in Jerusalem die Weltgemeinschaft gespalten?
Orombi: Wir sehen uns als eine neue Bewegung innerhalb der anglikanischen Gemeinschaft. Bisher war unser konservativer Flügel in der Defensive - jetzt ist eindeutig zu erkennen, dass sehr viele Menschen frustriert und enttäuscht sind. Die Jerusalemer Erklärung ist ein Druckmittel, um die Welt verstehen zu lassen, dass wir uns austauschen und vorwärts gehen. Es ist ja nicht so, dass die Liberalen in der Kirche überhaupt nicht verstünden, worum es uns geht. Aber früher waren wir für sie Missionsland - ihre Vorfahren sind vor 130 Jahren gekommen, haben uns die Frohe Botschaft verkündet, und wir haben sie angenommen. Die Großenkel unserer einstigen Missionare haben jedoch eine neue Richtung eingeschlagen - können sie von uns erwarten, dass wir ihnen folgen? Die Antwort ist: nein. Meiner Meinung nach haben sie das Feuer, die Leidenschaft und die Sehnsucht verloren, die ihre Vorfahren antrieb. Wir haben das alles noch.
Sie haben bei der Jerusalemer Konferenz einen eigenen Bischofsrat gegründet. Was soll der konkret tun?
Orombi: Wir wollen uns jetzt endlich wieder auf unseren eigentlichen Auftrag besinnen: die Menschen aufzufordern, hinauszugehen, zu predigen, die Armen, Kranken und Bedürftigen zu besuchen - kurz: das zu tun, was Jesus Christus von uns will. Wir wollen nicht viel Zeit mit Reden verlieren; das haben wir zehn Jahre lang getan, und es hat uns wenig gebracht. Deshalb sagen wir: Lasst uns hinausgehen und unsere Arbeit tun!
Gibt es irgendwelche strukturellen Verbindungen zwischen ihrem Bischofsrat und dem Rest der anglikanischen Gemeinschaft? Wird Ihre Bewegung etwa irgendwie bei der Lambeth-Konferenz Ende Juli vertreten sein?
Orombi: Nein. Jetzt ist der Erzbischof von Canterbury am Zug. Wir haben ihn schon vor Monaten gebeten, die Primi der jeweiligen Landeskirchen zusammenzurufen. Darauf warten wir bis heute. Wenn er uns zusammenruft, werden wir kommen.
In der Abschlusserklärung der Jerusalemer Konferenz heißt es, dass Sie wohl den «historischen Sitz» des Erzbischofs von Canterbury anerkennen, aber dass nicht er es sei, der die anglikanische Identität definiert. Welche Rolle spielt der Ehrenprimas für Ihre Bewegung?
Orombi: Der Erzbischof von Canterbury gehört, wie die Versammlung der Primi, die Anglikanische Beratende Versammlung und die Vollversammlung aller anglikanischen Bischöfe in Lambeth, zu den vier Werkzeugen der Einheit unserer Kirche - der Einheit, nicht der Identität. Wenn also der Erzbischof von Canterbury nicht strikt den Grundsätzen folgt, die einen Anglikaner ausmachen, dann darf uns das nicht stoppen. Was wir unter anglikanischer Identität verstehen, haben wir in unserer Erklärung dargelegt. Es ist eine kirchliche Lehre, die auf den Heiligen Schriften basiert und auf der kirchlichen Tradition: den 4 ökumenischen Konzilien, den 3 Credos und den 39 Artikeln mit der Lehre unserer Kirche. Der Erzbischof von Canterbury ist eben nicht wie ein Papst. Er ist das Haupt einer Kirchenprovinz, ein Gleicher unter Gleichen.
Hat Erzbischof Rowan Williams überhaupt nichts zu der Jerusalemer Konferenz gesagt?
Orombi: Doch, er hat mir vorher sogar persönlich geschrieben und gesagt, dass er für uns beten werde - dafür, dass die Konferenz ein Erfolg werde. Wissen Sie, Rowan ist ein persönlicher Freund von mir; er ist ein wundervoller, frommer und demütiger Mann. Aber eine anglikanische Gemeinschaft ist eine harte Herausforderung. Manchmal genügt es einfach nicht, nett zu sein. Man muss manchmal klare, schmerzhafte Entscheidungen treffen und sagen, wo man steht. Rowan will niemandem wehtun, er will zu allen freundlich sein - und am Ende macht er es niemandem recht. Das ist ein Problem, ein echtes Problem.
In der Jerusalemer Erklärung wenden Sie sich nicht nur gegen praktizierte Homosexualität und die Weihe von bekennenden Homosexuellen zu Priestern. Sie beschwören auch die alte Tradition in der Sexualmoral: eheliche Treue, Enthaltsamkeit vor der Ehe und so weiter. Gerade in Afrika gibt es aber riesige Probleme in diesem Bereich...
Orombi: An Gott zu glauben, ist eine Frage der Entscheidung. Gott zwingt niemanden. Aber wenn jemand wirklich auf ihn hört und ihm antwortet, dann wird dieser Mensch zu einem Werk des Gehorsams. Das ist eine riesige Herausforderung - aber gerade darauf werden sich die Leute einlassen. Wenn ich auf meiner Kanzel stehe, dann predige ich etwa über die Abstinenz. Jeden Samstag führe ich in meiner Kathedrale Hochzeiten durch, von zehn Uhr morgens bis nach sechs abends. Jeden Samstag, außer in der Fastenzeit. Und worüber spreche ich dabei? Über die Treue, die ich von dir, Mann, erwarte, der du diese Frau heiratest und eine Familie gründest.
Wissen Sie, mein eigener Großvater hatte sechs Frauen. Mein Vater hatte «nur» noch zwei. Ich bin also selbst in einer polygamen Familie groß geworden und habe gesehen, was für eine Tragödie das bedeutet. Als mein Großvater alt wurde, hat er schließlich bei keiner seiner sechs Frauen gelebt. Ich weiß nicht, warum sie ihn alle rausgeworfen haben. Auch mein Vater hatte mit seinen zwei Frauen nie Frieden im Haus: Die beiden haben unentwegt gestritten.
So habe ich als Junge schon die missliche Lage meines Vaters gesehen und mir geschworen, dass ich nur eine Frau haben würde. Und ich habe nur eine. In meiner Kirche stehe ich als einer, der den Menschen erklärt, was es heißt, eine echte, dauerhafte Beziehung zu haben. Das ist wirklich biblisch - und das ist es, was ich lehre.
Der ugandische Erzbischof über die Krise der anglikanischen Kirche
"Verheißungsvoller Neuanfang"
Die tiefe Spaltung der anglikanischen Weltgemeinschaft ist spätestens seit der am Wochenende zu Ende gegangenen Jerusalemer Konferenz des konservativen Kirchenflügels unübersehbar: Knapp 300 Bischöfe waren unter den Teilnehmern, die für sich beanspruchen, knapp die Hälfte aller 78 Millionen Anglikaner weltweit zu vertreten. In ihrer abschließenden "Jerusalemer Erklärung" bekundet die von Afrikanern geführte konservative Bewegung ihren Unmut über liberale Entwicklungen in ihrer Kirche und kündigt den Ausbau eigener Kirchenstrukturen an. Was Beobachter als den Anfang eines Schismas bezeichnen, nennt der ugandische Erzbischof Henry Luke Orombi im Interview einen verheißungsvollen Neuanfang.
Share on