Anglikaner-Streit - deutsche Kirchen-Vertreterin zu den Gründen

"Das Hauptproblem ist ein anderes"

Weltweit wird inzwischen über den Streit in der Anglikanischen Kirche berichtet. Auslöser war die Weihe eines homosexuellen Bischofs vor fünf Jahren. Der eigentliche Anlass gehe aber einige Jahrzehnte zurück, erklärt Dorothee Hahn, Reverend der anglikanischen Kirche, im domradio-Interview.

 (DR)

Gestritten würde um die Frage, wie sich die anglikanische Kirche in ihrer Funktion als Kirche verstehe und in welcher Form Autorität innerhalb der Kirche gehandhabt werde? "Das ist das Hauptproblem", so Hahn. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen München.

Es sei noch verfrüht, von einer Teilung zu sprechen, so Rev. Hahn. Doch die Fronten seien verhärtet. Es werde nicht leicht, aber als Christin gebe sie die Hoffnung nicht auf. "Gott ist ein lebendiger Gott, der auch in der Lage ist aus dem Tod noch Leben zu schaffen". Das es schwierig werde, sei aber keine Frage, so Hahn.

Vielfalt als Prinzip
Es müsse definiert werden, wie sich die Anglikaner als Kirche verstehen. Geklärt werden müsse, was die Basislehren sind, die nicht verändert werden dürfen und bei welchen Lehren die Teilkirchen eine gewisse Freiheit der Ausübung haben können.

Die autoritären Formen, die von den konservativen Teilkirchen jetzt eingefordert würden, wären bisher nicht Teil der Anglikanischen Kirche gewesen. Bei den Anglikanern gebe des den zentralen Begriff der Comprehensiveness. Er bedeute, die Bereitwilligkeit bestimmte Abweichungen von der Lehre innerhalb der Kirche zu akzeptieren. Sich nicht zu hundertprozent auf irgendwas festzulegen sei zentraler Punkt der Anglikanischen Kirche, der nicht außer Acht gelassen werden dürfe.

Frauenfrage dominiert die Diskussion in England
Auch in England ist Ehrenprimas Williams unter Druck geraten. Rund 1.300 anglikanische Geistliche drohen, die Kirche von England zu verlassen, falls diese die Bischofsweihe für Frauen zulässt. Wie britischen Medien am Dienstag weiter berichten, wollen die Geistlichen Bischöfinnen nur unter der Bedingung akzeptieren, dass Gemeinden wahlweise ihre Diözese verlassen dürfen, um sich einer von einem Mann geleiteten Diözese zu unterstellen. Das gehe aus einem entsprechenden Brief an die Erzbischöfe von Canterbury und York hervor. Die Frauenfrage wird voraussichtlich die Generalsynode der Kirche von England dominieren, die von Freitag bis Dienstag im nordenglischen York tagt.

Die Generalsynode hat bereits 2005 die rechtlichen Hindernisse für die Bischofsweihe von Frauen abgeschafft. Bislang gibt es aber noch keine amtierenden Bischöfinnen. Nach Einschätzung von Beobachtern könnten zahlreiche Geistliche aus Protest zum Katholizismus übertreten. Dies war schon 1992 nach der Zulassung von Frauen zum geistlichen Amt der Fall.

Ehrenprimas fordert Risiken zu überdenken
Die Beschlüsse einer internationalen Konferenz konservativer Anglikaner in Jerusalem hat der anglikanische Ehrenprimas Rowan Williams als problematisch kritisiert. Der Erzbischof von Canterbury sprach zwar von vielen positiven und ermutigenden Aspekten der dort veröffentlichten Jerusalemer Erklärung, wie der Pressedienst der anglikanischen Weltgemeinschaft am Montag meldete. Er mahnte aber, die Risiken der Vorschläge sehr vorsichtig zu überdenken. Sie seien in vielerlei Hinsicht problematisch.

Williams wandte sich gegen parallele Strukturen für traditionell eingestellte Anglikaner wie etwa die Schaffung einer eigenen Kirchenprovinz in Nordamerika und den siebenköpfigen Bischofsrat, der als Beschlussgremium des konservativen Kirchenflügels dienen soll. Der Rat werde nicht allgemein anerkannt werden, so der Ehrenprimas.

Zudem berge der Anspruch, frei über Provinzgrenzen hinweg handeln zu wollen, theologische und praktische Schwierigkeiten: Theologisch, da geistliche Ämter innerhalb der Gemeinschaft gegenseitig anerkannt würden und praktisch wegen der offensichtlichen Belastungen bei der verantwortlichen Ausübung von bischöflichen Aufgaben über große geografische und kulturelle Grenzen hinweg.

Es reiche nicht aus, die bestehenden Strukturen der anglikanischen Weltgemeinschaft zurückzuweisen, so Williams. Sollten sie nicht funktionieren, müssten sie erneuert werden statt Lösungen zu schaffen, die mehr Probleme bereiteten als sie lösten. Dies sei eine der drängendsten Aufgaben der Lambeth-Konferenz Ende Juli. Dabei müsse vor allem das Vertrauen in die anglikanische Identität gestärkt und vertieft werden.

Die Lambeth-Konferenz ist das höchste Beschlussgremium der Anglikaner. Sie findet nur alle zehn Jahre statt. Etliche Bischöfe des konservativen Kirchenflügels wollen dem Treffen fernbleiben. Sie werfen Williams Führungsschwäche vor. Der Streit mit dem liberalen Kirchenflügel, der eine Spaltung der Weltgemeinschaft immer wahrscheinlicher macht, dreht sich etwa um die Frage bekennender homosexueller Bischöfe. Eine weitere Bruchstelle ist die Priesterinnen- oder Bischöfinnenweihe, die in vielen bzw. einigen Nationalkirchen praktiziert wird.

Williams wies die Annahme zurück, beide Seiten seien so weit voneinander entfernt, dass sie unterschiedliche Botschaften verkündeten. Dies sei nicht der Fall. Es wimmele allerdings von Kontroversen, Falschdarstellungen und Zerrbildern. Dem müsse begegnet werden.

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