In Paraguay übernimmt der "rote Bischof" Fernando Lugo das Präsidentenamt

Mit Bart und Bibel

Ein Bischof wird Präsident. Der katholische Befreiungstheologe Fernando Lugo wird am Freitag nach einem historischen Wahlsieg im April das höchste Staatsamt in Paraguay übernehmen. Es ist der erste demokratische Machtwechsel in der Geschichte des Landes. Mit zehn Prozentpunkten Vorsprung hatte der 57-Jährige für eine Mitte-Links-Allianz klar gegen die Colorado-Partei gewonnen, die seit 61 Jahren regiert.

Autor/in:
Gerhard Dilger
 (DR)

Der kräftig gebaute Theologe mit dem grauen Bart, der schon einmal kämpferisch die Faust hebt, hat mit einer politischen Blitzkarriere für Aufsehen gesorgt. 2004 war er von seinem Bischofsamt zurückgetreten, 2006 setzte er sich an die Spitze einer breiten Protestbewegung. Sie verhinderte eine Verfassungsänderung, die Präsident Nicanor Duarte eine Wiederwahl ermöglicht hätte.

Seinen endgültigen Einzug in die politische Arena gab Lugo mit folgenden Worten bekannt: «Von nun an wird das ganze Land meine Kathedrale sein.» Daraufhin suspendierte der Vatikan den emeritierten Bischof vom Priesteramt. Monate später akzeptierte der Vatikan seinen Rücktritt, womit Lugo wieder Geschichte schreibt. Denn noch nie zuvor befreite die katholische Kirche einen Geistlichen von so einem hohen Amt. Lugo ist seitdem wieder Laie.

Geboren wurde Lugo 1951, drei Jahre vor Beginn der blutigen Diktatur von Alfredo Stroessner (1954-1989). Sein Onkel, ein Colorado-Politiker, der sich bald mit Stroessner überwarf, ging nach Haft und Folter ins Exil. Auch Lugos drei Brüder mussten Paraguay verlassen. Nachdem Fernando Lugo als Dorfschullehrer gearbeitet hatte, besuchte er das Priesterseminar. 1977 ging er als Steyler Missionar für fünf Jahre nach Ecuador, wo er die Befreiungstheologie kennenlernte. Sein Lehrmeister war der «Indianer-Bischof» Leonidas Proaño.

Nach einem Studium in Rom wirkte Lugo ab 1994 als Bischof der ländlichen Diözese San Pedro - just in den Jahren, in denen die Bauernbewegungen in Paraguay stark wurden. Der Bischof stellte sich auf die Seite der Landbesetzer, von denen Dutzende durch Auftragskiller der Großgrundbesitzer ermordet wurden. Das trug ihm ebenfalls Morddrohungen ein.

Lugo kam zu dem Schluss, dass seine seelsorgerliche Arbeit von unten nicht ausreichte. «Die Frage war, wie man die großen Forderungen durchsetzen könnte», sagt er. Politik sei ein wichtiges Werkzeug für einen echten Wandel. «Die Kirche bleibt wichtig, aber sie reicht nicht. Für mich sind Politik und Kirche zwei Seiten einer Medaille. In beiden Fällen geht es darum, die Menschenwürde, das Allgemeinwohl zu erlangen.» Lugo übernahm den Ansatz der Befreiungstheologie in sein politisches Programm. Seine Regierung werde demokratisch sein, verspricht er, alle Bevölkerungsschichten sollen sich beteiligen.

Auch wenn er bisweilen als «roter Bischof» tituliert und in eine Reihe mit Venezuelas sozialistischem Präsidenten Hugo Chavez gestellt wird, liegt Lugo wohl eher auf einer gemäßigten sozialdemokratischen Linie. Angesichts der Kräfteverhältnisse in Paraguay bleibt ihm auch kaum eine andere Wahl: Die ihm nahe stehenden linken Bauerngruppen sind ungleich schwächer als die Traditionspartei der Liberalen, die den Vizepräsidenten stellen wird. Etiketten jeder Art weist er von sich. Lugo will, dass Paraguay seinen eigenen Weg geht.