Peter Ramsauer verteidigt im domradio-Interview die Unionsparteien gegen Kirchenkritik und fordert gegenseitigen Respekt

"Bekennen und auch das Kreuz und seine Symbolik immer tragen und durchkämpfen"

CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer hat Kritikern aus den Kirchen widersprochen, die das christliche Profil der Union in Frage stellen. Im domradio-Interview sagte Ramsauer, er respektiere die Meinung etwa von Kardinal Meisner "selbstverständlich", aber er fordere diesen Respekt auch von der Kirche ein. Meisner hatte mit Blick auf die Stammzell-Debatte beklagt, "dass die CDU sich bei christlich denkenden Menschen zunehmend selbst entwurzelt".

 (DR)

domradio: Hält das C in der Union das, was es verspricht? Sie sind der Überzeugung, das CDU/CSU ihren Namen durchaus ernst nehmen. Die Abgeordneten der Union werden immer wieder zu Abstimmungen in ethischen Fragen gerufen, können Sie verstehen, dass die katholische Kirche mit der Union und ihrem christlichen Engagement unzufrieden ist?
Ramsauer: Ich kann mir das an einigen Punkten natürlich erklären, weil die Erwartungen der christlichen Kirchen an die CDU und CSU, also an jene Parteien, die das C im Namen tragen, natürlich ausgesprochen hoch sind.

Aus nunmehr 18jähriger Erfahrung im Deutschen Bundestag kann ich aber auch sagen, dass es gerade vielleicht auch durch die Wiedervereinigung  schwieriger geworden ist, Politik, die sich sauber ableitet von den Grundsätzen des christlichen Menschenbildes, durchzusetzen. Dass es einer gewaltigen Kampfbereitschaft bedarf, um diese Dinge durchzuziehen. Das hat sich in den letzten Monaten auch wieder deutlich gezeigt bei Themen wie der Ausgestaltung von Patientenverfügungen oder dem Thema Spätabtreibung. Aber das ändert ja nichts an unserer Entschlossenheit, das sage ich nicht nur für die CSU, sondern ich glaube, das gilt auch für die CDU, dass wir in unserer gemeinsamen Bundestagsfraktion für die Grundlagen, die uns das C im Parteinamen mitgibt, auch bereit sind, einzustehen.

domradio: Die Abgeordneten der Union haben die Ausweitung der Forschung an embryonalen Stammzellen mehrheitlich mitgetragen.
Das hat bei den Bischöfen für Unmut gesorgt. Der Kölner Kardinal Meisner warnte mit Blick auf die Stammzell-Debatte, "dass die CDU sich bei christlich denkenden Menschen zunehmend selbst entwurzelt". Wie sehen Sie das?
Ramsauer: Ich respektiere die Meinung von Kardinal Meisner selbstverständlich. Aber es gibt auch aus der christlichen Theologie heraus andere Sichtweisen bei diesem Thema. Ich möchte Ihnen als Beispiel die schwierigen und intensiven und wirklich harten Beratungen nennen, die wir in der Bundestagsfraktion darüber geführt haben. Und jetzt kommt das Interessante: Wir haben aus dem Kollegenkreis der CDU und CSU-Abgeordneten unter anderen drei berufliche christliche Theologen, katholische und evangelische, auftreten lassen. Und diese Drei, Abgeordnete wohlgemerkt, kamen aus der christlichen Lehre und den christlichen Grundsätzen heraus zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen, was die Stammzellforschung anbelangt: Einer wollte die Forschung völlig freigeben, einer riet zu einer restlosen Abschaffung, also auch keine weitere Forschung mehr an den bereits vorhandenen Stammzelllinien, die wir in Deutschland bereits haben und der Dritte plädierte für den Vorschlag, der letztlich dann duchgedrungen ist, nämlich der Fristverschiebung.

Mir kommt es nur auf eines an, dass wir uns gegenseitig auch bei solch schwierigen Fragen respektieren, dass wir es hinnehmen, dass man fragt: "Was gibt uns das C im Parteinamen für diese oder jene Politik auf?" Und das gegenseitig zu respektieren, Toleranz zu üben und dem anderen zuzugestehen, dass er auch im besten Sinne des Christlichen handelt. Diese Toleranz aufzubringen, ich glaube, das müssen wir uns gegenseitig zugestehen und deswegen sage ich bei dieser ganzen Stammzelldebatte: Ich habe diese auch vor dem Hintergrund des C in unserem Namen wirklich mit gutem Gewissen durchgetragen.

domradio: Sie sagen die christlichen Überzeugungen sind in der Union lebendig - auch wenn sie einen Wandel erfahren haben. Um welchen Wandel geht es Ihnen da?
Ramsauer: Ich glaube, das eines ganz wichtig ist: Das C darf man natürlich nicht als Bedienungsanleitung für die Maschinerie Staat oder Politik hernehmen. Wichtig ist, dass wir bei einer sich wandelnden Gesellschaft und bei sich wandelnden Bedingungen gewisse Grundsätze nicht verlassen. Dass wir beispielsweise in der Sozialpolitik, wo es ja immer um die Frage nach der Gerechtigkeit geht, dass wir hier auch aus christlichen Überzeugungen heraus sagen: "Ja, wir wollen Gerechtigkeit aber wir wollen keine Gleichmacherei." Es wäre zutiefst unchristlich, wenn wir eine Gleichheit der Ergebnisse wollen würden, weil es auch christliche Grundtugend ist, individuelle Freiheit zu gewähren.  

Oder auch in der Sozialpolitik: Das Austarieren zwischen Subsidiarität, also der Eigenverantwortung des Menschen auf der einen Seite, aber auf der anderen Seite unbedingt die Solidarität zu üben, wenn jemand unverschuldet in Krisen hineingerät, also auch dem Individuum etwas abzuverlangen.

Es ändern sich natürlich materielle Grundlagen und Erwartungen, insbesondere wenn etwa mit der Partei der Linken Heilsverkünder durchs Land laufen. Und da wollen wir immer wieder auf diese Grundsätze hinweisen: Den Einzelnen fordern und an seine Eigenverantwortung appellieren, dass er für sich und seine Familie erbringen soll, was er kann und erst dann die Solidarität der anderen einfordern.

domradio: Haben Sie denn als CSU-Politiker den Eindruck, dass der Wind recht stark gegen das Christliche bläst?
Ramsauer: Diesen Eindruck habe ich, aber das ist für uns nichts Entmutigendes, sondern das befeuert uns ja regelrecht. Ich habe gerade die Erfahrung in meinem Heimatland Bayern im Landtagswahlkampf gemacht, wie von seiten der Grünen versucht wird, dem Christentum auch mehr oder weniger organisatorisch die materielle Grundlage zu entziehen: Durch die Forderung, der Aufkündigung des Konkordats. Oder die Kreuze aus dem öffentlichen Raum zu verbannen mit dem Hinweis darauf, dass das Kreuz nur ein Symbol für irgendeine Religion neben vielen anderen Religionen sei.

Da wird der Wind natürlich stärker, das lassen wir uns nicht gefallen, das Kreuz ist kein x-beliebiges Symbol, sondern das ist das Symbol schlechthin für unsere Leitkultur in Deutschland und Europa. Und das ist nun mal das Christentum und deswegen ist das Christentum nicht irgendeine Religion, die man gleichsetzt mit anderen, sondern die prägende Religion. Deutschland ist nicht geprägt vom Hinduismus, Buddhismus oder Islam sondern vom Christentum. Und deswegen mag zwar Religion als solche Privatsache sein, der öffentliche Raum und das öffentliche Gepräge aber ist keine Privatsache, hier müssen wir uns bekennen und auch das Kreuz und seine Symbolik immer tragen und durchkämpfen.