Moskauer Patriarchat setzt Mitgliedschaft aus - Streitfall Estland

Ökumene-Dachverband in Not

Die Konferenz Europäischer Kirchen ist ein Kind des Kalten Krieges. Bei der Gründung im Januar 1959 war es Bestreben der Mitgliedskirchen, kirchlich-konfessionelle Brücken im geteilten Europa zu schlagen. Im kommenden Jahr will die Vereinigung von rund 125 anglikanischen, protestantischen und orthodoxen Kirchen ihr 50-jähriges Bestehen feiern. Doch seit einigen Tagen ist die Stimmung in der ökumenischen Organisation getrübt.

Autor/in:
Rainer Clos
Der russische Patriarch Alexi II. beim Weihnachtsgottesdienst 2004 (epd)
Der russische Patriarch Alexi II. beim Weihnachtsgottesdienst 2004 / ( epd )

Denn die russisch-orthodoxe Kirche, seit der Gründungsphase dabei und mitgliederstärkste Kirche, lässt bis auf weiteres ihre Mitgliedschaft in dem Dachverband ruhen. In Solidarität mit den estnischen orthodoxen Brüdern und Schwestern habe die Russische Orthodoxe Kirche entschieden, ihre Mitgliedschaft bis zur Aufnahme der Estnischen Orthodoxen Kirche auszusetzen, ließ das Moskauer Patriarchat verlauten. Ganz undiplomatisch werfen die Moskauer Kirchenmänner der KEK-Führung, speziell Präsident Jean-Arnold de Clermont und Generalsekretär Colin Williams vor, Zusagen bezüglich der Aufnahme der estnischen Kirche gebrochen zu haben.

Mit tiefem Bedauern müsse registriert werden, dass die Konferenz Europäischer Kirchen ihre Rolle als versöhnende und einende Kraft nicht erfülle, wenn sie in wachsendem Maß die Stimme von Kirchen von außerhalb der EU ignoriere: "Auf diese Weise verliert die KEK ihren historischen Auftrag, Brücke zwischen Ost und West zu sein", heißt es in der Erklärung des Moskauer Patriarchats.

Was war passiert?
In Estland, von dessen 1,3 Millionen Bewohnern zwei Drittel Esten und ein Viertel Russen sind, ist die zahlenmäßig kleine orthodoxe Kirche gespalten und ihr kirchenrechtlicher Status strittig. Neben der Estnischen Orthodoxen Kirche, die mit dem Moskauer Patriarchat verbunden ist, gibt es die Estnische Apostolische Orthodoxe Kirche, die dem Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel untersteht. Dieses Nebeneinander, das aus der wechselvollen Geschichte des baltischen Landes resultiert, hatte schon mehrfach für innerorthodoxe Spannungen gesorgt.

Im November 2007 hatte der Zentralausschuss der KEK, das höchste Organ zwischen den Vollversammlungen, der Aufnahme der mit Konstantinopel verbundenen orthodoxen Kirche von Estland zugestimmt und zugleich eine Aufnahme der zum Moskauer Patriarchat gehörenden estnischen Kirche für 2008 in Aussicht gestellt. Auch von dieser orthodoxen Kirche seinen die Beitrittskriterien erfüllt worden, heißt es in KEK-Kreisen. Doch beim jüngsten Zentralausschusstreffen auf Zypern verzögerte sich die Entscheidung. Und als dann abgestimmt werden sollte, verließen die Delegierten des griechisch-orthodoxen Patriarchats von Konstantinopel den Saal, womit das Gremium nicht mehr beschlussfähig war.

Weitere Konsultationen 2009
Beobachter sind überzeugt, dass der Leiter der russisch-orthodoxen Delegation Wsewolod Tschaplin in Abstimmung mit Patriarch Alexij II. die Reißleine zog und die Mitgliedschaft suspendierte. Fast parallel zu den KEK-Beratungen fand in Istanbul ein orthodoxes Patriarchentreffen statt, das auch zur Klärung von innerorthodoxen Streitfragen gedacht war. In der Abschlussdeklaration des Orthodoxen-Gipfels heißt es, "die Überwindung interner Konflikte in der orthodoxen Kirche durch die Aufgabe extremer nationalistischer, ethnischer und ideologischer Haltungen, die der Vergangenheit angehören", sei eine Vorbedingung dafür, der orthodoxen Kirche weltweit mehr Einfluss zu verschaffen. Für 2009 werden in der Botschaft weitere Konsultationen angekündigt.

Dieser Klärungsprozess kann nach Ansicht von Kennern lange dauern.
Wenn die KEK dessen Ergebnisse abwarten wolle, um danach über die Mitgliedschaft der estnischen Kirche zu entscheiden, werde Moskau wohl über Jahre eine Politik des leeren Stuhls betreiben, erwarten Beobachter. Denn die russisch-orthodoxe Kirche fürchte eine Ausweitung des Konflikts. Auch in der Ukraine, die zum Einflussbereich des Moskauer Patriarchats gehört, ist die orthodoxe Kirche gespalten. Bereits beim katholischen-orthodoxen Theologengesprächen in Ravenna vor einem Jahr hatte es Streit über Estland gegeben. Wegen der Teilnahme der mit Konstantinopel verbundenen estnischen Kirche verließ die Moskauer Delegation das Dialogtreffen.