Am 29. August 2005 veröffentlichte der Vatikan ein Kommunique über eine Privataudienz des Papstes. Empfangen wurden der Obere der Priesterbruderschaft St. Pius X., der exkommunizierte Schweizer Bischof Bernard Fellay, sowie sein deutscher Assistent Franz Schmidberger. Der Wortlaut war knapp und eindeutig: "Das Treffen war geprägt von einem Klima der Liebe für die Kirche und dem Verlangen, die vollkommene kirchliche Gemeinschaft zu erreichen. Im Bewusstsein der Schwierigkeiten wurde der Wunsch geäußert, schrittweise und in vernünftigen Zeiträumen vorzugehen."
Damals nahmen nur wenige zur Kenntnis, dass der Vatikan soeben nichts anderes angekündigt hatte als die baldige Beendigung der Kirchenspaltung zwischen Rom und den "Lefebvrianern", deren Bischöfe seit 1988 exkommuniziert waren.
Knapp dreieinhalb Jahre später sind die Schritte offenbar vollzogen.
Der Papst hat Forderungen erfüllt, die noch vor wenigen Jahren tabu schienen. Am 7. Juli 2007 erlaubte er den alten Ritus wieder weltweit als "außerordentliche" Form der römisch-katholischen Liturgie.
Der nächste Schritt ist nicht mehr weit
Und nun hat er per Dekret der Bischofskongregation die Exkommunikation aufgehoben, die unter seinem Vorgänger Johannes Paul II. die Lefebvre-Bischöfe ereilt hatte. Der nächste Schritt, die Rückkehr zur vollen kirchlichen Einheit, ist nun nicht mehr weit.
Die Strafe hatte 1988 der ultrakonservative Rebellenbischof Marcel Lefebvre auf sich und seine Mitstreiter gezogen, als er gegen päpstliches Verbot vier Bischöfe weihte. Unter ihnen war seinerzeit auch der erst 30-jährige Bernard Fellay. Sechs Jahre später wurde Fellay Generaloberer der Gemeinschaft. Seither betrieb er beharrlich eine Doppelstrategie der kirchenpolitischen Wiederannäherung an Rom bei gleichzeitiger Härte in den inhaltlichen Positionen.
Die einzige Vorbedingung, die der Vatikan den Lefebvre-Anhängern nun für die Aufhebung der schwersten Kirchenstrafe stellte, war die Anerkennung des päpstlichen Lehrprimats - im Grunde eine Selbstverständlichkeit für konservative Katholiken, aber unter den Ultras am rechten Rand dennoch nicht unumstritten. Denn einige von ihnen halten alle Päpste seit Pius XII. (1939-1958) für Irrlehrer und damit für unrechtmäßig.
Weil Fellay zu diesen abstrusen Theorien Abstand hielt und die Anhänger der Pius-Bruderschaft auf ein kritisch-loyales Verhältnis zum Papst einschwor, blieb die Tür nach Rom auch in der Exkommunikation stets einen Spalt weit offen. Was es nun bedeutet, dass der Papst sie wieder ganz aufgestoßen hat, darüber sind beide Seiten noch nicht ganz im Klaren.
Gewinner und Probleme
Auf den ersten Blick gibt es nur Gewinner: Der Papst wird wohl einige hundert sehr engagierte Priester sowie einige hunderttausend Gläubige hinzugewinnen, die gegen den Zeitgeist und für die alte katholische Lehre eintreten. Die Pius-Bruderschaft kann aus dem Schattendasein einer winzigen Parallelkirche heraustreten und zu einer Sondergruppe innerhalb der Kirche werden, wo sie sich mit anderen traditionell gesinnten Gläubigen zu einer konservativen Strömung verbünden kann.
An dieser Stelle beginnen dann aber auch die Probleme: Den kirchenrechtlichen Status der Pius-Bruderschaft und ihrer Gemeinden wird man klären müssen. Offen ist auch, was mit Priestern und Bischöfen geschieht, die sich weigern, Messen nach dem "ordentlichen" Ritus von 1970 zu feiern. Und abzuwarten bleibt, wie moderne Strömungen in der Kirche auf die Gewichtsverschiebung am rechten Rand reagieren, und welche Auswirkungen das Ganze auf den Dialog mit anderen Konfessionen und Religionen hat.
Gänzlich unklar bleibt, wie Ortsbischöfe und Papst damit umgehen werden, wenn Traditionalisten die Anwendung der Konzilsbeschlüsse der 1960-er Jahre verweigern. Zumal im Sammelbecken der Pius-Bruderschaft nicht nur Intellektuelle und untadelige Verfechter der alten Liturgie Heimat gefunden haben. Eine kleine Kostprobe der möglichen Irritationen lieferte in dieser Woche der britische Lefebvre-Bischof Richard Williamson, als er in einem Interview die Vergasung der Juden durch die Nationalsozialisten leugnete und damit einen Sturm von Protesten auslöste.
Das Ende der Exkommunikation bringt dem Vatikan neue Probleme
Schrittweise Rückkehr der Ultrakonservativen
Papst Benedikt XVI. hat die Exkommunizierung von vier Bischöfen aufgehoben, die gegen päpstliche Anweisung von Erzbischof Lefebvre geweiht worden waren. Auf den ersten Blick gibt es nur Gewinner. Doch Ludwig Ring-Eifel, Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur, erwartet auch Probleme.
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