Papst und Kanzlerin bekräftigen die Mahnung der Schoah

Ein Telefongespräch

Konfliktbewältigung. Bundeskanzlerin Angela Merkel bemüht sich um diplomatische Klärung gegenüber Papst Benedikt XVI. Auf ihren Wunsch kam es zum Telefonat mit dem Kirchenoberhaupt. Beide hätten "in großem gegenseitigen Respekt ihre Haltungen ausgetauscht", erklärten Vatikansprecher Federico Lombardi und Regierungssprecher Ulrich Wilhelm am Sonntag.

Autor/in:
Christoph Strack
 (DR)

Seit Dienstag lag Spannung in der Luft zwischen Berlin und Rom. Da hatte Merkel sich in die katholische Traditionalistenaffäre eingeschaltet und - vor vielen Kameras während einer Pressekonferenz in Berlin - den Papst zu einer eindeutigen Klarstellung im Umgang mit dem als Holocaust-Leugner agierenden Bischof Richard Williamson aufgefordert. Es gehe, so die protestantische Regierungschefin, um die Leugnung des Holocaust und grundsätzliche Fragen des Umgangs mit dem Judentum. «Deshalb darf das nicht ohne Folgen im Raum stehen bleiben», so die Bundeskanzlerin.

Der Vorstoß Merkels stieß im politischen Berlin und in weiten Teilen der deutschen Medien auf Zustimmung. Aber Merkel erfuhr von Parteifreunden auch, dass die Stimmung in Deutschland, dass «Häme und Gehässigkeit» im Heimatland des Papstes im Vatikan regelrecht für Entsetzen sorgten. Bei versierten Diplomaten anderer Länder sorgte es für Erstaunen, dass eine demokratische Regierungschefin am eigenen Botschafter vorbei über die Medien dem Papst Forderungen vortrug. Die deutsche Kanzlerin gegen den deutschen Papst?

Diverse Telefonate
Doch das Kanzleramt selber bemühte sich seit Mittwoch um diplomatische Klärung. Es gab diverse Telefonate. Der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Hans Henning Horstmann, suchte den kleinen Dienstweg in den Apostolischen Palast.

Bereits am Mittwoch rief Merkel, wie Regierungssprecher Wilhelm mitteilte, aus Eigeninitiative den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, an, um mit ihm über die Traditionalisten-Debatte und das Vorgehen des Papstes zu sprechen. Trotz dieses Kontakts: Tags drauf rügte Zollitsch im Fernsehen - bei allem Respekt für das Anliegen der Regierungschefin - deren öffentliche Kritik und formulierte damit das kirchenamtliche Empfinden dies- und jenseits der Alpen: Zwar habe er die echte Sorge Merkels wegen der zurückgenommenen Exkommunikation Williamson gespürt. «Enttäuschend» aber sei für ihn, dass Merkel eine Frage aufgeworfen habe, die «längst beantwortet» gewesen sei. Der Papst hätte schon eindeutig seine Ablehnung des Antisemitismus erklärt.

Wie auch Zollitsch hatte Vatikansprecher Lombardi bald nach der ungewöhnlichen Stellungnahme Merkels an diverse Äußerungen des Papstes erinnert, auch an die «unmissverständliche» Ansprache Benedikts XVI. bei der jüngsten Generalaudienz. Der Papst habe mit aller Klarheit seine «volle und nicht zur Diskussion stehende Solidarität» mit den Juden erklärt und sich gegen jede Relativierung der Judenvernichtung ausgesprochen.

Einer weiteren Klarstellung des vatikanischen Staatssekretariats am Mittwoch folgte Merkels zweiter Wink nach Rom in dieser Woche. Sie begrüßte die Klarstellung des Vatikan; die eindeutige Sprache sei «ein wichtiges und auch ein gutes Signal». Eine Leugnung des Holocaust könne niemals ohne Folgen im Raum stehen bleiben. Bemerkenswert: Nur diese zweite öffentliche Wortmeldung der Kanzlerin vom Donnerstag findet in dem kurzen Kommunique, das die Sprecher beider Seiten am Sonntag veröffentlichten, Erwähnung.

Telefonate des Papstes mit Regierungschefs tauchen recht selten auf im Bulletin des Vatikanischen Pressesaals. So telefonierte er im November mit dem frisch gewählten Barack Obama, der dann am 20. Januar noch ein Telegramm des Kirchenoberhaupts erhielt. Beides erfuhren die «Vaticanisti» aus dem Bulletin.

Die Mitteilung vom Sonntag bezieht sich übrigens nicht explizit auf das Traditionalisten-Thema. Die rund zehn Zeilen, die Lombardi und Wilhelm in Berlin und dem Vatikan veröffentlichten, lassen noch manchen Spielraum für Interpretation. Klar ist: Der Wunsch zum Telefonat ging - das passt zur unauffälligen Diplomatie der Vortage
- von Merkel aus. Das Gespräch war «getragen von der gemeinsamen und tiefen Verpflichtung gegenüber der immerwährenden Mahnung der Schoah für die Menschheit». Und beide Seiten sprechen von einem «guten und konstruktiven» Austausch. «Gut», das klingt in der italienischen Version der Presseerklärung noch schöner: «cordiale». Herzlich war es.

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