Papst erlaubt Gerhard Wagner den Rückzug

Ende einer nicht begonnenen Amtszeit

Es gibt Ernennungen, die lassen sich nicht einfach ausschlagen. Der Ruf ins Bischofsamt gehört dazu. Deshalb hat Papst Benedikt XVI. jetzt eigens und ausdrücklich festgestellt, dass Gerhard Wagner aus Windischgarsten in Oberösterreich nun doch nicht Weihbischof von Linz zu werden braucht. Zwei Wochen hat es bis zu dieser Erklärung gedauert.

 (DR)

Einen lapidaren Satz nur gab der Pressesaal des Heiligen Stuhls bekannt, um die causa Wagner beizulegen: "Der Heilige Vater hat den Hochwürdigen Herrn Gerhard Wagner von der Annahme des Amtes des Weihbischofs von Linz (Österreich) dispensiert." Hinter diesem Satz steht eine etwas wirre Geschichte, die irgendwie ins Umfeld der Williamson-Affäre geraten und dabei so aus dem Ruder gelaufen war, dass kein Kirchenrechts-Paragraph dafür eine Lösung bot.

Dass Wagner sein Amt nicht antreten wolle, hatte der Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz bereits am 15. Februar mitgeteilt.
Damals, an einem Sonntagabend, verbreitete das oberösterreichische Bistum auf seiner Internetseite und mit einer Rundmail an einen kleinen Adressatenkreis folgende Stellungnahme Wagners: "Angesichts der heftigen Kritik bin ich im Gebet und nach Rücksprache mit dem Diözesanbischof zu dem Entschluss gekommen, den Heiligen Vater um Rücknahme meiner Ernennung zum Weihbischof von Linz zu bitten."

Wagner, 54-jähriger Seelsorger mit streng konservativer Linie, hatte zwar das Vertrauen des Papstes, aber eine Menge lautstarker Gegner im eigenen Land. Gleich nach seiner Bischofsernennung durch Benedikt XVI. am 31. Januar waren markante Äußerungen wieder im Umlauf, mit denen er in der Vergangenheit von sich reden machte: So überlegte er laut, ob der Hurrikan "Katrina" nicht eine göttliche Strafe für Abtreibungspraxen sei, Homosexualität setzte er mit einer Krankheit gleich, und im Zauberlehrling Harry Potter sah er eine Verharmlosung Satans.

Widerstand aus dem Linzer Domkapitel
Widerstand gegen die Ernennung des Geistlichen ging nicht zuletzt vom Linzer Domkapitel aus. "Unsere Erwartungen waren in andere Richtungen gegangen", hieß es nach der Berufung Wagners. Und weil in Österreich die Skandale und Kirchenaustrittswellen der Jahrtausendwende noch keineswegs vergeben und vergessen sind, reisten eine Woche später der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, und sein Stellvertreter, der Grazer Bischof Egon Kapellari, zu Gesprächen nach Rom. Beide gelten als Vertraute des Papstes. In Wien wurde zudem eine Sondersitzung der Bischöfe einberufen. Sie wollten das Problem lösen, bevor sich ein neuer Flächenbrand entwickelte. Am Abend davor zog Wagner zurück..

Die Stellungnahme der österreichischen Oberhirten nach der Krisensitzung am Folgetag enthielt für Kirchenverhältnisse unverhohlene Kritik: Bischofsernennungen müssten "mit pastoralem Gespür" erfolgen, der Vatikan müsse seine Kommunikation verbessern, "damit der weltweite Dienst des Papstes nicht Schaden erleidet". Die Bischöfe kündigten an, die sie betreffenden Personalentscheidungen des Papstes künftig "in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen vatikanischen Stellen" zu begleiten. Italienische Vatikan-Korrespondenten fragten verwundert, ob nördlich der Alpen eine Revolution im Gang sei.

Der Vorgang erinnerte an den Befreiungsschlag, mit dem sich die Kirchenverantwortlichen in Österreich seinerzeit des untragbar gewordenen Kardinals Hans Hermann Groer entledigten. Auf Initiative von Amtsbrüdern erhielt der Wiener Erzbischof, schwer belastet durch Pädophilie-Vorwürfe, eine Art kirchenrechtlichen Vormund - den jungen Weihbischof Christoph Schönborn. Und der legte später auf dem Höhepunkt des Groer-Skandals in Rom vor der Presse quasi stellvertretend ein Schuldbekenntnis anstelle des beharrlich schweigenden Groer ab.

Offen bleibt Wagners Zukunft
Den konservativen Beinahe-Weihbischof Wagner belasten keine derart gravierenden Skandale. Er hatte das Pech, dass seine Ernennung in eine aufgeheizte Stimmung fiel, in der viele einen generellen Ruck zum streng konservativen Lager der Kirche befürchteten.

Offen bleibt, ob Wagner nun für alle Zeiten ein einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn bleibt - oder ob er irgendwann doch noch eine Auszeichnung erhält, die deutlich macht, dass der Papst ihm höhere Aufgaben zutraut. Offen bleibt auch, wen der Linzer Oberhirte nun als Helfer im Apostelamt an die Seite bekommt.

Und offen bleibt schließlich, ob die katholische Kirche in Österreich über Nacht einen Präzedenzfall für Bischofsernennungen mit nationalem Vetorecht geschaffen hat. Dann könnte es künftig noch öfter merkwürdige Ein-Satz-Mitteilungen aus dem vatikanischen Pressesaal geben.