Rebiya Kadeer wehrt sich gegen Vorwürfe aus Peking

"Mutter der Uiguren" verurteilt Gewalt

Die Angriffe aus Peking gelten ihrem Verband und ihrer Person: Rebiya Kadeer, Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren, soll die Unruhen im Westen Chinas angestiftet haben. Die selbstbewusste zierliche Frau, die unter einer Samtkappe meist Zöpfe trägt, setzt sich in ihrem Exil in den USA zur Wehr. Die wahre Ursache für die Unruhen sei die jahrelange Unterdrückung der uigurischen Minderheit in China, betont sie.

Autor/in:
Barbara Schneider und Elvira Treffinger
Rebiya Kadeer: Chinas "Staatsfeindin Nummer eins" (epd)
Rebiya Kadeer: Chinas "Staatsfeindin Nummer eins" / ( epd )

Kadeer legt ein klares Bekenntnis zur Gewaltfreiheit ab. Wie der Dalai Lama und die Tibeter wollten auch die Uiguren auf friedlichem Weg das Recht auf Selbstbestimmung in China erringen, schrieb sie am Mittwoch in der Asien-Ausgabe des «Wall Street Journal». Sie bedauert, dass eine friedliche Demonstration in ihrer Heimatregion eskalierte, weil einige Teilnehmer sich über harte Polizeigewalt empört hätten.

Für Peking ist Kadeer «Staatsfeindin Nummer eins», im Ausland eine Anwärterin für den Friedensnobelpreis. Die erfolgreiche uigurische Geschäftsfrau, 1948 geboren, stammt aus ärmlichen Verhältnissen und saß selbst fünf Jahre in China im Gefängnis. Als ehemalige Parlamentsabgeordnete kennt sie das politische System.

Kadeer erhebt schwere Vorwürfe gegen die chinesische Führung: «Die jüngste Unterdrückung der Uiguren hat einen rassistischen Ton angenommen.» Die chinesische Regierung sei bekannt dafür, dass sie nationalistisches Denken unter den Han-Chinesen ermutige, «um die bankrotte kommunistische Ideologie zu ersetzen». Dieser fehlgeleitete Nationalismus habe zu Angriffen von Chinesen auf uigurische Arbeiter in Shaoguan geführt.

Auf rund neun Millionen Menschen wird die Zahl der Uiguren in China geschätzt, die zumeist Muslime sind. Weil es einige Bombenanschläge gab, geriet das ganze Volk unter den Generalverdacht des Terrorismus. Seit der Eingliederung der Region im Westen Chinas, 1949, lebt die Bevölkerung unter chinesischer Herrschaft.

Seither kämpfen die Uiguren in Ostturkestan, offiziell «Autonome Uigurische Region Xinjiang» genannt, um ihre Rechte. Vor drei Jahren wurde Kadeer zur Präsidentin des Weltkongresses der Uiguren gekürt, einem Zusammenschluss von Exil-Gruppen, mit Sitz in München. Mitunter wählt sie drastische Worte, spricht vom «kulturellen Völkermord».

Kadeer wirkt unscheinbar, in sich gekehrt, aber hochkonzentriert, um dann mit klaren Worten und weit ausladenden, zackigen Gesten ihr Anliegen zu wiederholen. Vor den Olympischen Spielen im August 2008 in Peking war sie auch in Deutschland, um auf das Leiden ihres Volkes aufmerksam zu machen.

Es ist vor allem das Unrecht, das sie und ihre Familie und Freunde am eigenen Leib erlebt haben, das sie bewegt. «Ich habe nie gesehen, dass meine Eltern gelacht haben», sagt sie. Als sie von der Vertreibung ihrer Familie erzählt, rollen dicke Tränen über ihre Wangen: «Sie waren immer ängstlich.» In ihrem Buch «Die Himmelsstürmerin» schilderte Kadeer ihr Leben. Die gläubige Muslimin bekam elf Kinder und ist zum zweiten Mal verheiratet.

«Ich kenne keine Müdigkeit», beteuert Kadeer, wenn es um die Sache der Uiguren geht. Als Abgeordnete in China hatte sie die Lebenssituation ihres Volkes angeprangert, wurde ihrer Ämter enthoben und 1993 wegen angeblichen Geheimnisverrats verhaftet. Auch ihre Kinder müssen büßen: Zwei ihrer Söhne wurden im November 2006 zu langen Haftstrafen verurteilt.

«Mutter der Uiguren» wird Kadeer ehrenvoll genannt. Sie gründete eine «Bewegung der tausend Mütter», die uigurischen Frauen beim Aufbau einer eigener Existenz helfen soll. Wie Fotos zeigen, spielen auch bei den Protesten in Ürümqi Frauen eine wichtige Rolle und stellen sich Polizisten mutig in den Weg.