Auch wenn bis auf den heutigen Tag immer wieder Schlagzeilen von isoliert lebenden Urvölkern die Runde machen: Kontakte zur Zivilisation sind längst die Regel.
Die Konsequenzen beobachten Menschenrechtler, Umweltexperten und Entwicklungshelfer mit Argusaugen. So warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen in einem neuen Memorandum vor den Folgen wirtschaftlicher Ausbeutung. Denn die angestammten Siedlungsgebiete vieler Gemeinschaften liegen mitten in rohstoffreichen Regionen. Und dies wiederum weckt seit langem schon die Begehrlichkeiten von Investoren. So wie in Guatemala, das über beträchtliche Gold- und Silbervorkommen verfügt.
Laut GfbV hält das Unternehmen Goldcorp seit 2003 die Abbaulizenzen für das Edelmetall in dem an der Grenze zu Mexiko gelegenen Departement San Marcos. Im Internet wirbt der kanadische Großkonzern mit einem nachhaltigen Wirtschaftskonzept, dass eine Balance aus wirtschaftlichem Wachstum, Umweltschutz und dem Respekt vor den Belangen der lokalen Bevölkerung anstrebt. Die Praxis sieht den Berichten der Menschenrechtler zufolge anders aus. Allein in der von einem Tochterunternehmen betriebenen Mine "Marlin" würden bei der Förderung von Gold und Silber stündlich 250.000 Liter Wasser verbraucht. Dies gefährde in unverantwortlicher Weise die Trinkwasserversorgung der im Umland wohnenden Maya-Familien.
Dabei hätten die Maya und andere indigene Gemeinschaften, die immerhin rund 60 Prozent der Gesamtbevölkerung Guatemalas ausmachen, eigentlich eine rechtliche Handhabe gegen eine ungewollte wirtschaftliche Erschließung ihres Territoriums. Schon 1996 ratifizierte das mittelamerikanische Land die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Bei dem Schriftstück handelt es sich um das einzige völkerrechtlich verbindliche Dokument, das den betroffenen Gemeinschaften wirksamen Schutz zusichern soll. Die seit 1991 existierende Vereinbarung fußte auf Protesten indigener Minenarbeiter aus Peru.
Doch selbst dort, im Mutterland der ILO-Konvention, werden die Rechte der Ureinwohner mit Füßen getreten, beklagt das Kinderhilfswerk terre des hommes in Osnabrück. Bergbau- und Ölförderprojekte würden den indigenen Gemeinschaften des Andenstaates ohne Rücksicht auf Verluste aufgezwungen. Ausländische Investoren müssten juristische Konsequenzen oder Ausgleichszahlungen für die von ihnen beanspruchten Gebiete weder in Guatemala noch in Peru oder anderen Staaten des Kontinents fürchten. Im Gegenteil: Oft würden Anwohner massiv unter Druck gesetzt, um ihre Territorien freizugeben.
Immer wieder prangern auch Vertreter der katholischen Kirche die Missstände an, wie Amazonas-Bischof Erwin Kräutler in Brasilien.
Oftmals scheinen er und andere Aktivisten auf verlorenem Posten zu stehen. Mehrere von Kräutlers Mitarbeitern wurden ermordet, zuletzt
2005 die US-Ordensfrau Dorothy Stang, ein Fall der weit über Brasilien hinaus für Aufsehen sorgte.
Nicht ohne Grund hat die deutsche Regierung beim Schutz der indigenen Bevölkerung deswegen vor allem Lateinamerika im Fokus.
Seit den 1990er-Jahren steht das Entwicklungsministerium nach eigenen Angaben indigenen Organisationen mit Rat und Tat beiseite, um ihnen auf nationaler und internationaler Ebene Gehör zu verschaffen. Die Maßnahmen sollen auch dazu beitragen, Konflikte um Land und Rohstoffe im Vorfeld zu entschärfen. Ein Wermutstropfen bleibt aus Sicht von Menschenrechtlern allerdings weiterhin bestehen. Auch Deutschland gehört zu den Staaten, die die ILO-Konvention nicht unterzeichnet haben. Und verzichtet damit nach Ansicht von GfbV-Referentin Yvonne Bangert auf eine Gelegenheit, dieses "wichtige Instrument" weltweit durchzusetzen.
"Tag der indigenen Völker" ruft zum Schutz von Minderheiten auf
Eine Konvention und viele offene Fragen
Sie leben im Dschungel von Südamerika, in den Steppen Afrikas oder den Regenwäldern von Südostasien. Manche Gemeinschaften zählen gerade einmal ein paar Dutzend Mitglieder, andere bestehen aus mehreren Zehntausend Menschen. Mit dem "Tag der indigenen Völker" erinnern die Vereinten Nationen am Sonntag an die schätzungsweise 5.000 Stämme und Bevölkerungsgruppen, die oftmals als Minderheit in ihrer Heimat ums Überleben kämpfen.
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