Die Schließung des umstrittenen US-Gefangenenlagers verzögert sich

Das schwere Erbe von Guantánamo

Der Zeitplan ist nicht mehr einzuhalten. Das umstrittene US-Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba kann offenbar doch nicht bis Ende Januar 2010 geschlossen werden, wie es der demokratische Präsident Barack Obama nach seinem Amtsantritt versprochen hatte. Damals war der Beifall groß. Jetzt äußern sich Menschenrechtler besorgt.

Autor/in:
Konrad Ege
 (DR)

Hohe Regierungsbeamte in Washington machen vor allem "rechtliche Komplikationen" für den Aufschub verantwortlich. Man wolle das Lager aber bald auflösen, hieß es. Die Zahl der Insassen werde sinken. In Guantánamo werden Terrorverdächtige zum Teil jahrelang ohne Anklage und Gerichtsverfahren festgehalten.

Das Lager wurde international zum Symbol für die Rechtsbrüche und Menschenrechtsverletzungen, die die Vorgängerregierung von George W.
Bush im Namen der Terrorbekämpfung beging. Das galt umso mehr, als Folterungen in Guantánamo bekannt wurden.

Am Wochenende gab die US-Regierung die Überführung von drei Guantánamo-Häftlingen nach Jemen und Irland bekannt. Ein Jemenite war nach sieben Jahren Haft in seine Heimat geflogen worden, nachdem ein US-Bundesgericht im Mai seine Freilassung angeordnet hatte.

Die Identität der beiden Gefangenen, die nach Irland kamen, wurde nicht mitgeteilt. Irland hatte sich bereiterklärt, zwei Usbeken aufzunehmen. Nach Angaben des US-Justizministeriums wurden bisher 17 Gefangene in andere Länder gebracht. Mehr als 220 sitzen noch in Guantánamo ein.

Menschenrechtler bedauern Aufschub
Menschenrechtler bedauern den Aufschub der Schließung. Jameel Jaffer von der "American Civil Liberties Union" zeigte sich zudem beunruhigt über Mutmaßungen, die Regierung wolle nach der Auflösung des Lagers als besonders gefährlich eingestufte Guantánamo-Häftlinge ohne Greichtsurteil "unbegrenzt lange" einsperren. Dafür gebe es in einer rechtsstaatlichen Demokratie keinen Raum.

Republikanische Politiker begrüßten die Verzögerung bei Guantánamo. Amerikaner lebten nur "in Sicherheit", wenn man die Häftlinge "in Sicherheitseinrichtungen außerhalb der Vereinigten Staaten" aufbewahre, sagte der republikanische Senator Mitch McConnell am Samstag.

Das Lager auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Guantánamo auf Kuba war Ende 2001 für mutmaßliche Terroristen und für afghanische Taliban eingerichtet worden, die in US-Gefangenschaft gerieten. Auf Anweisung der Bush-Regierung klassifizierte man die Häftlinge als "ungesetzliche Kombattanten", die nicht die Rechte von Kriegsgefangenen "verdienten" und auch nicht die US-Gerichte anrufen durften.

Nach Angaben der Zeitung "New York Times" sind seit Gründung 779 Menschen aus mehr als 40 Ländern im Lager inhaftiert worden. Mehr als 550 kamen inzwischen frei, sechs Männer starben dort.

Mit seinem Plan, das Lager bis Januar 2010 zu schließen, stieß Präsident Obama jedoch auf Widerstand und Probleme. Der US-Kongress stimmte aus "Sicherheitsgründen" gegen die Verlegung der Häftlinge in die USA. Verbündete Nationen zeigten sich trotz ihrer Kritik an Guantánamo kaum bereit, als ungefährlich eingestufte Häftlinge aufzunehmen. Deutschland nahm erst einen Gefangenen auf: Es war dies
2006 der in Bremen geborene Murat Kurnaz.

Prüfung der Akten aller Guantánamo-Häftlinge
Laut der Tageszeitung "Washington Post" will das Weiße Haus in den kommenden Wochen die Prüfung der Akten aller Guantánamo-Häftlinge abschließen. Man rechne damit, dass letztendlich etwa 60 besonders gefährliche Häftlinge ohne Prozess und Berufungsmöglichkeit verwahrt werden, hieß es. Die Fälle einiger Gefangenen würden vermutlich vor regulären US-Gerichten verhandelt. Für andere seien wohl Militärkommissionen zuständig, die von Menschenrechtlern als rechtswidrig kritisiert werden.

Problematisch für Obama ist auch das Schicksal der rund 600 inhaftierten Männer in US-Gewahrsam im Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan. Mitte September erklärte die US-Regierung, die Häftlinge in Bagram hätten kein Recht auf Haftprüfung durch US-Gerichte.