Papst: "Schiffbruch des Lebens" als Chance für Neuanfang

Wolke über dem Papst

Es war nur eine Wolke, die dem Vatikan Sorgen machte. Aber in diesem Fall reichte sie von Island bis Italien. Der Luftraum über Norditalien war schon gesperrt, und noch bis Samstag bestanden Zweifel, ob Benedikt XVI. seine Reise nach Malta überhaupt würde antreten können. Er konnte und wandte sich schon auf dem Flug an die Journalisten.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Wer mochte, konnte diese Umstände bildlich deuten: Die Wolke aus Asche und Schmutz als Verweis auf jene andere, die des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche. Auch sie hat bedrohliche Ausmaße entwickelt und wirft Schatten auf die kurze Auslandsreise des Papstes, die erste seit dem Ausbruch der Krise.

Der Papst selbst sprach auf dem Flug von der «dunklen Wolke, die über einem Teil Europas liegt». In ein paar Worten an die mitreisenden Journalisten verwies er auf den Anlass der Reise: Die Ankunft des Apostels Paulus vor 1.950 Jahren auf der Insel. Dabei erinnerte er an die Schiffbrüche des eigenen Lebens, die nichtsdestoweniger einem Plan Gottes entsprechen könnten. Er lobte die Katholiken Maltas, weil sie die Kirche liebten, selbst wenn sie «von unseren Sünden verwundet» ist. Das Wort Missbrauch nannte er nicht. Aber jeder verstand den Wink.

Sonne auf Malta
Auf Malta schien trotz der dunklen Wolke die Sonne. Und die Malteser, die sich gern als katholischstes Volk der Erde bezeichnen, bereiteten ihrem Papst einen herzlichen Empfang. Im Vorfeld hatte es Proteste gegeben. Aber nun säumten die Menschen zu Tausenden die Straßen, als Benedikt XVI. seine erste, knapp halbstündige Fahrt vom Flughafen in die Hauptstadt Valletta absolvierte. Der Papst wollte beim Volk sein. Er wählte das Papamobil und nicht den allerdirektesten Weg: In weiten Schleifen ging die Fahrt über Luqa, Marsa, Floriana.

Gleich beim Empfang auf dem Flughafen ließ er die Themen anklingen, die so etwas wie ein Leitmotiv der zweitägigen Reise bilden sollten: Einwanderung, Schutz von Ehe und Familie sowie Lebensrecht. Malta, obzwar nur ein Kleinstaat auf halbem Weg nach Afrika, spiele eine entscheidende Rolle für Fragen, die ganz Europa beträfen.

Sozialismus und Katholizismus
Der erste Termin gehörte dem Staatsoberhaupt der Mittelmeerinsel, George Abela. Der 61-Jährige ist studierter Rechtswissenschaftler, wie viele seiner Amtskollegen. Aber er dürfte der einzige sein, der sowohl als Mitglied der Arbeiterpartei den Gewerkschaftsverband vor Gericht vertrat, als auch eine Zulassung als Kirchenanwalt für Eheannullierungsverfahren besitzt. Sozialismus und Katholizismus blieben oft auf Tuchfühlung in Malta.

«Es ist ein bisschen wie bei Don Camillo und Peppone», sagt ein maltesischer Auslandsgeistlicher, der eigens für den Papst in seine Heimat gereist ist. «Man prügelt sich unterm Kirchturm, das ist alles.» Bestes Beispiel ist Dom Mintoff, der große Sozialistenführer der 70er-Jahre, auf dessen Konto die Enteignung von Kirchengütern ging. Sein Bruder Dionysius zählt zu den prominentesten Kirchenmännern. Der Franziskanerpater richtete in einem ehemaligen Luftwaffenhangar ein Friedenszentrum ein. Vergangene Woche erhielt er in Genf einen Menschenrechtspreis.

Gebet des Papstes in der Paulusgrotte
Der Papst weiß, dass die kleine Inselrepublik seit dem EU-Beitritt 2004 ein strategischer Partner für den Vatikan sein kann. Abela zählt etwa zu den entschiedenen Kritikern des Straßburger Urteils, das Kreuze in Klassenzimmern als Verstoß gegen die Menschenrechte bewertet. Bis heute kennt Malta keine Abtreibungs- und Scheidungsgesetze, und auch die Delegierten der «Malta Labour Party» im Europaparlament erklärten ihren Fraktionskollegen erst einmal, dass mit ihnen in Sachen Lebensschutz keine Kompromisse drin seien.

Am Abend stand ein Gebet des Papstes in der Paulusgrotte von Rabat auf dem Programm, dem legendären Wohnort des Apostels während seines dreimonatigen unfreiwilligen Aufenthalts. Bei der Gelegenheit wollte er mit maltesischen Missionaren zusammentreffen, sie an die traditionsreiche und immer noch aktuelle Evangelisierungstätigkeit erinnern und an die moralischen Wahrheiten, die die Grundlage der Freiheit bilden. Dem Papst ist bewusst, dass auch in der Kirche Maltas viele Wunden zu heilen sind. Und ob die große Wolke seinen Rückflug am Sonntag vereiteln könnte, war noch nicht auszuschließen.