Aktivisten fordern mehr Glaubwürdigkeit im Kampf gegen Aids

"Deutschland spart, Afrika stirbt"

Auf der Welt-Aids-Konferenz drängen Aktivisten zu mehr Entschlossenheit und Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die tödliche Immunschwäche. Tausende protestierten am Mittwoch am deutschen Stand gegen Sparpläne der Bundesregierung und riefen "Deutschland spart, Afrika stirbt".

 (DR)

Kritik wurde auch an der zögernden Aids-Politik der osteuropäischen Staaten laut. «Wird Osteuropa und Zentralasien ein neues Afrika südlich der Sahara», fragten Volodimir Zhovtyak (Ukraine), Sprecher eines Dachverbands von Aids-Gruppen, und andere Osteuropäer. In der Region hat sich die Zahl der HIV-Positiven seit 2001 auf 1,5 Millionen Menschen verdoppelt. Betroffen sind vor allem Prostituierte und Drogenkonsumenten sowie ihre Partner. Befürchtet wird auch, dass die USA ihre Aids-Mittel nicht wie zugesagt erhöhen.

Anlass der Protestaktion gegen Deutschland ist die Zurückhaltung der Bundesregierung beim Wiederauffüllen des Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria für 2011-2013, was im Oktober ansteht. Bisher erklärte das Entwicklungsministerium, 2011 werde Deutschland wieder 200 Millionen Euro zahlen, für danach sei noch nichts entschieden.

«Merkel lügt, Menschen sterben»
«Merkel lügt, Menschen sterben», riefen die Demonstranten in Wien und legten sich zu einem symbolischen «Die-In» auf den Boden. Hilfswerke befürchten, dass sich die schwarz-gelbe Koalition ganz aus dem Fonds zurückziehen will, der einer der größten Finanzierer für Aidsprogramme weltweit ist. Derzeit werden insgesamt 5,2 Millionen Menschen mit HIV und Aids in Entwicklungsländern mit lebensverlängernden Medikamenten behandelt. Die Zahl soll auf 15 Millionen ausgeweitet werden.

«Die Finanzierung ist das große Thema der Aids-Konferenz», sagte Astrid Berner-Rodoreda von «Brot für die Welt» dem epd. Sie sprach von einer allgemeinen Gebermüdigkeit. Zugleich lobte sie, dass Aids-Aktivisten aus Südafrika und Nigeria auch ihre Regierungen an das nicht erfüllte Versprechen erinnern, 15 Prozent des Budgets für Gesundheit auszugeben. Weltweit sind 33,4 Millionen Menschen HIV-infiziert, davon zwei Drittel in Afrika.

Patent-Pool für günstigere Medikamente

Um die Produktion kostengünstiger Medikamente für Entwicklungsländer zu beschleunigen und erleichtern, will die Initiative UNITAID Unternehmen für einen Patent-Pool gewinnen. Sie könnten über den Pool Nachbaurechte für patentierte Wirkstoffe oder Verfahren vergeben lassen, sagte Ellen t'Hoen von UNITAID. Oberstes Gebot sei Freiwilligkeit.

«Wir sprechen mit allen führenden Unternehmen.» Auch mit der deutschen Firma Boehringer Ingelheim sei ein Gespräch geplant, sagte die Niederländerin dem epd. Bereits Interesse bekundet hätten unter anderem die US-Konzerne Gilead und Merck. Die Nachahmermedikamente, sogenannte Generika, gegen Aids werden heute vor allem in Indien, Brasilien und Kenia hergestellt und von dort in andere afrikanische Länder exportiert. Die Generika-Firmen müssen Gebühren für die Lizenzen bezahlen.
Medikamenten-Mix kostet bis zu 1.000 Dollar
«Lizenzen müssen von der Ausnahme zur Regel werden», sagte t'Hoen. Auch dürften neue Wirkstoffe nicht durch Patente blockiert werden, sondern müssten zugänglich sein für die Entwicklung neuer Arzneimittel. Generika seien auch wichtig, weil die Aids-Medikamente der neueren Generation teurer seien und der Patentschutz verstärkt werde.

Der Patentschutz dauert in der Regel 20 Jahre. Der Patent-Pool soll in wenigen Wochen starten. Der heute empfohlene Medikamenten-Mix kostet laut UNITAID zwischen 150 und 1.000 Dollar. UNITAID wurde von europäischen und südamerikanischen Regierungen gegründet und hat seit 2006 rund 730 Millionen Dollar für Gesundheitsprojekte in 93 Ländern aufgebracht, davon zwei Drittel über eine Abgabe auf Flugtickets.