Bundesbank will an diesem Donnerstag über Zukunft Sarrazins entscheiden

Gespräche dauern an

Die Zukunft von Berlins Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin im Vorstand der Bundesbank ist offen. Bei einer Krisensitzung am Mittwoch in Frankfurt am Main wurde Stillschweigen vereinbart, wie eine Sprecherin der Bank mitteilte. Mit Ergebnissen sei nicht vor diesem Donnerstag zu rechnen. Sarrazin droht die Abberufung. Im Fall des geplanten Ausschlusses aus der SPD gibt Parteichef Sigmar Gabriel Sarrazin aber noch eine letzte Chance.

 (DR)

Sarrazin wurde am Mittwoch vom Führungsgremium der Notenbank erstmals persönlich zur Rede gestellt, nachdem seine Thesen über eine angeblich vererbte Dummheit muslimischer Zuwanderer und genetische Besonderheiten von Juden bereits seit anderthalb Wochen für Empörung sorgen.



Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ am Mittwoch erkennen, dass Sarrazins Äußerungen politische Konsequenzen haben müssten. Darüber habe er mit Bundesbank-Präsident Axel Weber gesprochen, sagte Schäuble, ohne Details zu nennen. Der Minister wertete Sarrazins Äußerungen als "verantwortungslosen Unsinn", mit dem dieser "ersichtlich" gegen seine Verpflichtung zur Zurückhaltung verstoßen habe.



Eine Abberufung Sarrazins wäre ein in der Geschichte des Instituts einmaliger Vorgang. Möglich ist dies auf Antrag des Instituts nur durch den Bundespräsidenten.



Staatsoberhaupt Christian Wulff wurde unterdessen bereits am Mittwoch mit dem Fall Sarrazin konfrontiert. Bei seinem Antrittsbesuch im sächsischen Landtag sorgte dort die rechtsextreme NPD für einen Eklat. Während Wulffs Ansprache erhoben sich die NPD-Abgeordneten und zeigten Plakate mit der Aufschrift: "Alle wissen: Sarrazin hat Recht". Saalordner mussten einschreiten. Wulff ging nicht auf den Zwischenfall ein.



Der Umgang mit Sarrazin ist für die Bundesbank juristisch heikel, denn Arbeitsrechtler bezweifeln, dass dessen Äußerungen für eine Entlassung ausreichen. Sarrazin beruft sich auf die Meinungsfreiheit. Der Bundesbank-Vorstand hatte Sarrazin bereits schriftlich vorgeworfen, dem Ansehen des Hauses zu schaden und "weitere Schritte" angekündigt.



Im Fall des drohenden Ausschlusses aus der SPD lässt Parteichef Sigmar Gabriel dem 65-jährigen Provokateur unterdessen noch ein Hintertürchen offen: "Vor einem möglichen Parteiausschluss wird er angehört und hat dann erneut die Gelegenheit, sich zu korrigieren und sich für seine Äußerungen zu entschuldigen."



An der Basis gibt es einigen Unmut über das Parteiausschlussverfahren, das von der SPD-Spitze am Montag angeschoben worden war. "Wir kriegen ganz schön Dresche gerade dafür", räumte Gabriel ein. Während es von der einen Seite "Beifall" für Sarrazin gebe, seien die Ausländer "alle stinksauer". Ein Ausschluss Sarrazins sei "den Wählern und an der SPD-Basis nicht leicht zu vermitteln".



Nach Informationen der "Berliner Zeitung" sind beim SPD-Bundesvorstand in den vergangenen Tagen 2000 E-Mails zu dem Thema eingegangen. Rund 90 Prozent der Absender äußerten demnach Zustimmung zu Sarrazins Thesen. Auch der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises der SPD, Johannes Kahrs, hatte sich gegen einen Ausschluss gewandt.



Über das genaue Vorgehen will an diesem Donnerstagabend der Berliner SPD-Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf entscheiden. Erwogen wird, Sarrazin in einem verkürzten Verfahren auszuschließen oder ihm zumindest bis zu einer endgültigen Entscheidung die Mitgliedsrechte zu entziehen.



Grünen-Chefin Claudia Roth bescheinigte Sarrazin "NPD-Ideologien". Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Werner Dreibus nannte ihn einen "erwiesenen Rassisten und Antisemiten". Eine türkische Vätergruppe in Berlin lud Sarrazin indessen zu einem Gespräch über Integration und Vorurteile in ihren Neuköllner Kiez ein - Motto: "Sarrazin spricht über uns - aber kennt er uns?"

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