Deutschland baut in L‘Aquila ein Bürgerhaus

Wiederaufbauhilfe als Wiedergutmachung

Eineinhalb Jahren nach dem verheerenden Erdbeben in den Abruzzen wurde in dem fast ganz zerstörten Dorf Onna ein Bürgerhaus eingeweiht. Das aus deutschen Spenden finanzierte Gebäude ist zugleich Wiedergutmachung für ein Massaker deutscher NS-Soldaten während des Zweiten Weltkriegs.

Autor/in:
Bettina Gabbe
 (DR)

Der Bau solle dazu beitragen, "die äußeren Wunden, die das Erdbeben geschlagen hat, entschlossen zu heilen", sagte der deutsche Botschafter in Italien, Michael H. Gerdts, am Donnerstag bei der Schlüsselübergabe in dem Teilort der schwer beschädigten Provinzhauptstadt L Aquila. Zugleich wolle das deutsche Engagement "Mut machen, die gewaltige Aufgabe des Wiederaufbaus zu bewältigen". Nach den Worten des Botschafters symbolisiert das Bürgerhaus, "wie Geschichte sich wandelt, dass die Vergangenheit überwunden werden kann".



Am 11. Juni 1944 wurden in Onna 14 Männer und zwei Frauen von Wehrmachtsoldaten in einem Haus an der Hauptstraße eingepfercht und erschossen. Danach wurde das Gebäude in die Luft gesprengt. Das Massaker wurde juristisch nie aufgearbeitet. Die Hauptstraße heißt nach den Opfern des Massakers heute "Via dei Martiri", die "Straße der Märtyrer".



40 Tote bei Erdbeben

Bei dem Erdbeben vom 6. April 2009 verzeichnete das 300-Seelen-Dorf wenige Kilometer außerhalb von L"Aquila mit rund 40 Toten eine besonders hohe Opferzahl. In Erinnerung an das Massaker konzentrierte Deutschland seine Erdbebenhilfe von Anfang an auf Onna. Neben dem Bau des Bürgerhauses ließ die Botschaft einen Masterplan entwickeln, nach dem jedes einzelne Gebäude in Onna erdbebensicher und energiesparend wiederaufgebaut werden kann, wenn die italienische Regierung wie geplant die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt.



Die einzelnen Steine der Portale in notdürftig abgestützten aber stehen gebliebenen Häusern sind bereits mit Nummern versehen, damit die alten Fassaden beim Neubau wieder errichtet werden können. Die Bundesregierung verpflichtete sich überdies, die bei dem Erdbeben schwer beschädigte Kirche von Onna wieder aufzubauen. Dafür stehen bis zu fünf Millionen Euro bereit.



Der 1,3 Millionen teure Bau des neuen Bürgerhauses wurde dagegen aus Spenden privater Geber und Großunternehmen wie Volkswagen und E.ON sowie des Bundeslandes Bayern finanziert. Er steht am Eingang der weiterhin von Trümmern gesäumten Hauptstraße.



Hoffnung auf Bewegung in die Bürokratie

Hinter einer gebogenen Glasfassade beherbergt das erdbebensichere und nach Energiesparkriterien gebaute Bürgerhaus aus Holz vier Versammlungsräume, ein Auditorium und einen Internet-Point. In der nach außen hin in alle Richtungen durch große Fenster geöffneten Architektur wurden Steine der umliegenden eingestürzten Häuser integriert. Sie symbolisieren nach dem gemeinsam mit den Bürgern des Weilers entwickelten Entwurf den Wunsch, beim Wiederaufbau die kulturelle Identität des Ortes zu erhalten.



Nach dem Erdbeben herrschte in Onna und L Aquila eine Mischung aus Trauer um Angehörige und Freude über das eigene Überleben, die ein Gemeinschaftsgefühl schuf und zu Bemühungen um Wiederaufbau anregte. Knapp 18 Monate später ist das Stadtzentrum von L Aquila ebenso wie der Ortskern von Onna noch immer als "rote Zone" gesperrt. Instandsetzung und Wiederaufbau werden durch diesen Status blockiert.



Bewohner von Onna äußerten bei der Einweihung des Bürgerhauses die Hoffnung, dass dieser erste gemeinschaftlich genutzte Bau seit dem Erdbeben Bewegung in die Bürokratie bringt und die Blockade der Altstadt aufgehoben wird. Doch noch ist unklar, ob die von der Regierung versprochenen Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung stehen. "Das Dekret ist bereits angekündigt, aber keiner weiß, ob die nötigen Gelder verfügbar sind", klagt Paolo Paolucci von Bürgerverein Onna. "Aber wir müssen zuversichtlich sein.