2010 war in Afrika ein Jahr der Potentaten, Putschisten und Piraten

Abseits der Vuvuzelas

Es sollte Afrikas großes Jahr werden: Es gab nicht nur die erste Fußball-WM auf afrikanischem Boden in Südafrika zu feiern, sondern auch 50 Jahre Unabhängigkeit in 17 afrikanischen Ländern. Doch abseits der Vuvuzelas und Festparaden sah es in Afrika 2010 jedoch oftmals düster aus. Und in diesem Jahr könnte es noch schlimmer kommen.

Autor/in:
Marc Engelhardt
 (DR)

Trotz anhaltendem Wirtschaftswachstum ist Afrika nach wie vor der mit Abstand ärmste Kontinent. Die Vereinten Nationen mussten eingestehen, dass die Millenniums-Entwicklungsziele zur Bekämpfung von Hunger, Armut, Krankheiten und Analphabetentum in Afrika bis 2015 nicht erreicht werden können. Vor allem aber war 2010 ein schlechtes Jahr für die Demokratie auf dem Kontinent. Grund zur Freude hatten vor allem altgediente Potentaten, Piraten und Putschisten.



Im Februar nutzte eine Gruppe von Militärs die Mittagspause im Präsidentenpalast der westafrikanischen Republik Niger, um den autoritären Präsidenten Mamadou Tandja zu stürzen. Die versprochene schnelle Rückkehr zur Demokratie lässt bislang auf sich warten.



Der Putsch der Junta in Niger war der vierte in Westafrika innerhalb von zwei Jahren. Auch in Mauretanien, Guinea und Guinea-Bissau übernahmen Soldaten die Macht. Die Regenten in Uniform sind nach einer längeren Auszeit zurück. Das Neue: sie sind beliebt - beliebter als die oft korrupten Machthaber, die sie ablösen.



Im Fall Nigers fiel es selbst der Afrikanischen Union schwer, den Putsch zu kritisieren. Der gestürzte Präsident Tandja hatte vorher sämtliche Gesetze seines Landes gebrochen, um an der Macht zu bleiben. Manche afrikanische Zeitung feierte die Soldaten als "Wind der Hoffnung" und warnte die ältere Generation der "starken Männer" in Simbabwe, Uganda oder Kamerun, das Militär könne auch ihnen an den Kragen gehen.



Presse und Regierungskritiker mundtot gemacht

Tatsächlich scheinen viele der oft auf fragwürdige Weise gewählten Präsidenten und Premiers demokratischen Idealen weniger verpflichtet zu sein als manch ein Putschist. Äthiopiens Premier Meles Zenawi kerkerte vor den Wahlen im Mai Oppositionsführerin Birtukan Mideksa ein. Seit langem werden in Äthiopien die freie Presse und Regierungskritiker mundtot gemacht.



Ruandas Präsident Paul Kagame erklärte unumwunden, für eine freie Presse sei in seinem Land kein Platz: "Jetzt muss erst einmal ernsthaft gearbeitet werden." Und der seit fünf Jahren ohne Mandat regierende Präsident der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, riskiert lieber einen neuen Bürgerkrieg in seinem geteilten Land als seine Wahlniederlage einzugestehen.



Schon warnt die Mo-Ibrahim-Stiftung, die das Regierungshandeln in Afrika untersucht, vor einer "demokratischen Rezession". Der wirtschaftliche Aufschwung geschehe auf Kosten grundlegender Menschenrechte. "Wir müssen aufpassen, dass die Grundrechte von den Regierungen nicht aus den Augen verloren werden", warnt Tansanias ehemaliger Außenminister Salim Ahmed Salim. "Eine einseitige Ausrichtung auf ökonomischen Aufschwung ist nicht nachhaltig, wie die Vergangenheit mehrfach gezeigt hat."



Es könnte noch schlimmer werden

Im kommenden Jahr könnte es noch schlimmer werden. Somalia, derzeit ein Paradies für Piraten, könnte endgültig in die Hände von Islamisten fallen. Im Sudan droht ein Bürgerkrieg über die Abspaltung des ölreichen Südens, wo eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit geplant ist.



Und im Kongo, den die Sicherheitskräfte von Präsident Joseph Kabila nur rudimentär kontrollieren, könnten die anstehenden Wahlen neue Unruhen auslösen. Auch im kleinen Burundi kursiert die Angst vor einem neuen Bürgerkrieg.



Einen Hoffnungsschimmer lieferte der Internationale Strafgerichtshof im Fall von Kenia am 15. Dezember. Das Gericht in Den Haag will die mutmaßlichen führenden Hintermännern der Unruhen nach den Wahlen Ende 2007 anklagen - unter ihnen mehrere amtierende Minister, von denen einige als mögliche Nachfolger von Präsident Mwai Kibaki gehandelt wurden.



Chefankläger Luís Moreno Ocampo will die Prozesse vor der nächsten Wahl 2012 in Kenia abschließen. Wenn er die Anklagen sorgfältig genug vorbereitet hat, könnte die Verurteilung der Rädelsführer ein Zeichen setzen, dass das Militär nicht die einzige Alternative zur oft korrupten Alt-Elite afrikanischer Politiker ist.