Erste liberale Synagoge Deutschlands seit 1945 eingeweiht

"Traum ist wahr geworden"

Hameln hat wieder eine Synagoge. In einer feierlichen Zeremonie weihten Persönlichkeiten aus Politik, Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft das Gotteshaus am Sonntag in der Stadt an der Weser ein. Nach zehn Monaten Bauzeit steht an der Stelle der ersten, 1938 zerstörten und später abgerissenen Synagoge wieder ein religiöses Zentrum für die 200 Hamelner Juden.

Autor/in:
Stefan Buchholz
 (DR)

Es ist zugleich Deutschlands erster Neubau eines liberalen jüdischen Gotteshauses nach dem Zweiten Weltkrieg. Unter einem Stoff-Baldachin trugen die zwei jüngsten Gemeindemitglieder die Thorarollen in den Rundbau. Die 100 Jahre alte koschere Thora wurde in Deutschland geschrieben, war kurze Zeit in Israel und später in den USA, wie die New Yorker Rabbinerin Jo David den Gästen mitteilte. Die Einhebung der Thora, der jüdischen heiligen Schrift, erfolgte durch Rabbinerin Irit Shillor.



200 Mitglieder aus zwölf Nationen seien nun in der neuen Synagoge zu Hause, sagte Rachel Dohme, die Gemeindevorsitzende. "Wir stehen buchstäblich auf den Schultern von denen, die vor uns kamen." Im Namen der Landesregierung in Hannover gratulierte Niedersachsens Kulturstaatsminister Bernd Althusmann (CDU). "Für unser Land ist es ein historischer Tag." Er mache deutlich, dass sich jüdisches Leben in Niedersachsen wieder verwurzele. Mittlerweile gebe es in dem Flächenland 16 jüdische Gemeinden mit 9.000 Mitgliedern. "Land, Kreise und Gemeinden helfen überall mit, dass sich die wachsenden Gemeinden finanzieren können", versicherte der Minister.



"Zeichen, dass wir da sind"

Die neue Hamelner Synagoge kostete gut eine Million Euro. Davon übernahm das Land ein Drittel der Bausumme. Über 30 Prozent steuerten der Landkreis Hameln-Pyrmont und die Stadt Hameln dazu, ein Drittel hat die Stiftung "Liberale Synagoge Hameln" übernommen.



Jede neue Synagoge sei ein Zeichen, dass "wir da sind", meinte Generalsekretär Stephan Kramer vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Kramer erinnerte an die "staatlich organisierte Zerstörung" von Synagogen am 9. November 1938. Man sei noch nicht soweit, diesen "Meilenstein auf dem Weg zur Schoa" zu vergessen, so Kramer. Noch immer gebe es in Europa Antisemitismus und Rassismus. "Wenn einer diffamiert wird, werden alle diffamiert", betonte Kramer.



Die jüdische Gemeinde Hameln versteht sich als liberal. Anders als bei den orthodoxen Anhängern kann die Liturgie auch in der jeweiligen Landesprache gefeiert werden. Weiteres Kennzeichen: Frauen und Männer sind in allen religiösen Angelegenheiten gleichberechtigt. So können beispielsweise auch Frauen das Rabbineramt praktizieren. Liberal bedeutet ebenso, dass gegenüber der nichtjüdischen Gesellschaft eine offene Haltung besteht. Die 1997 gegründete jüdische Gemeinde entstand durch den Zuzug von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion. Neben Religions- und Deutschunterricht bietet die Gemeinde zahlreiche kulturell geprägte Freizeitveranstaltungen an.