Der Vatikan und die Piusbrüder bewerten ihre Dialogrunde

Aussöhnung oder Bruch?

Mehr als eineinhalb Jahre lang haben sich Theologen von Vatikan und Piusbrüdern regelmäßig zu einem schwierigen Dialog getroffen. Nun ziehen Kardinal Levada und der Obere der Priesterbruderschaft Bernard Fellay Bilanz - und treffen damit eine wichtige Vorentscheidung.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Zwischen Oktober 2009 und Mai 2011 beriet die Kurien-Kommission "Ecclesia Dei" mit Vertretern der seit 1988 von Rom abgespaltenen traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. über Möglichkeiten und Bedingungen einer Einigung. Seither haben die zuständigen Oberen, die vatikanische Glaubenskongregation und die Leitung der Piusbrüder, das erstellte Material und die Ergebnisse gesichtet.



Die spannende Frage an diesem Mittwoch (14.09.2011) werde sein, wie sich der Obere der Piusbrüder zu Verlauf und Ergebnis der Expertengespräche äußert, heißt es im Vatikan. Denn Fellay selbst habe bislang noch keine klare Stellungnahme abgegeben; Antworten gab es nur über einige seiner Mitarbeiter. Von dieser Antwort werde nun abhängen, ob eine Teileinigung zwischen Rom und den Traditionalisten realistisch erscheint - oder ob auch diese Dialogrunde fruchtlos bleibe.



Auftakt mit Eklat

Im Mittelpunkt der Fachgespräche standen die Geltung des päpstlichen Lehramtes und die Verbindlichkeit des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) - samt seinen Aussagen zu Religionsfreiheit, Ökumene und interreligiösem Dialog. Falls man hier feststellt, dass man zu einer Einigung gefunden hat, könnte man in Verhandlungen über den kirchlichen Status und über Strukturen für jene Traditionalisten einsteigen, die sich für eine Gemeinschaft mit der katholischen Universalkirche entscheiden. Als Modell war unter anderen ein Personalordinariat genannt worden, wie es seit Jahresbeginn für ehemalige Anglikaner besteht.



Begonnen hatten die neuen Aussöhnungsbemühungen zwischen dem Papst und den Traditionalisten von Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) im Januar 2009 mit einem Eklat: Unter den vier Bischöfen, deren Exkommunikation Benedikt XVI. als Geste des Entgegenkommens zurücknehmen wollte, war auch der Holocaustleugner Richard Williamson; der Vatikan musste interne Kommunikationspannen eingestehen. Die zuvor weitgehend eigenständige Kommission "Ecclesia Dei" unter dem kolumbianischen Kurienkardinal Dario Castrillon Hoyos wurde personell erneuert. Mit seinem am 8. Juli 2009 veröffentlichten Motu proprio "Ecclesiae unitatem" (Die Einheit der Kirche) unterstellte der Papst sie unmittelbar der Glaubenskongregation.



Weichenstellung für die Zukunft

Die neue Struktur sollte der Tatsache Rechnung tragen, dass es bei den Differenzen zwischen dem Vatikan und den Piusbrüdern vorrangig um Lehrfragen geht: um unterschiedliche Auffassungen zu Lehramt, Papsttum und kirchlicher Tradition und um die Bewertung des Konzils. Ziel der Gespräche sollte sein, so betonte der Papst in jenem Motu proprio, Brüche und Spaltungen der Kirche zu überwinden, bestehende Wunden zu heilen und die Traditionalisten zur vollen Gemeinschaft mit der Kirche zu führen.



Unter Moderation von Ecclesia-Dei-Sekretär Monsignore Guido Pozzo nahmen seitens des Vatikan Erzbischof Luis Ladaria Ferrer (Sekretär der Glaubenskongregation), der Schweizer Dominikaner Charles Morerod, Opus-Dei-Generalvikar Fernando Ocariz und der deutsche Jesuit Professor Karl Josef Becker teil. Die Piusbruderschaft entsandte den spanischen Bischof Alfonso de Gallareta, sowie die Experten Pater Benoit de Jorna und Pater Jean Michel Gleize vom Traditionalisten-Seminar Econe (Schweiz) sowie Pater Patrick de La Rocque vom Priorat in Nantes (Frankreich).



Die Gespräche selbst seien gut verlaufen, hieß es Ende Mai in Rom. Man habe in aller Offenheit diskutiert, ohne dass damit alle Probleme ausgeräumt worden wären. Belastet wurde das Gesprächsklima durch Kritik der Traditionalisten an der Seligsprechung von Papst Johannes Paul II. und an dem für Oktober von Benedikt XVI. anberaumten interreligiösen Friedenstreffen in Assisi. Das Treffen am Mittwoch muss nun Klarheit über die zurückliegende Dialogrunde bringen: eine Weichenstellung für die Zukunft einer schmerzhaften Kirchenspaltung.