Stille. Der weihnachtlich geschmückte Petersplatz in Rom ist mit Zehntausenden jungen Menschen gefüllt, doch es herrscht Stille. Nur ganz leise plätschert der Brunnen auf dem Platz, während die Jugendlichen mit gesenkten Köpfen und geschlossenen Augen innehalten.
In der Mitte leuchten die Krippe von Bethlehem und der festlich geschmückte Christbaum. Die Kerzen in den Händen der Jugendlichen erzeugen ein Meer aus Lichtern.
"Die Stille gibt dir Zeit, nachzudenken"
Die Teilnehmer des 35. Europäischen Taize-Jugendtreffens und etliche Römer, 45.000 Menschen insgesamt, sind gekommen, um gemeinsam mit dem Papst zu beten. "Es sind diese Momente der Stille, die Taize so besonders machen", flüstert Maria Prado-Armengou aus Barcelona. Sie war bereits in Taize und ist nun mit ihrem Bruder und einigen Freunden zu dem Treffen nach Rom gereist. "Die Stille gibt dir Zeit, nachzudenken. Die hat man im Alltag nicht."
Maria studiert Architektur und schaut sorgenvoll in die Zukunft. Die Arbeitslosigkeit in ihrem Land führe zu großer Frustration bei Freunden und Verwandten. Besonders bei jenen Menschen, die für die Wirtschaftskrise Verantwortung tragen, hofft sie auf ein Umdenken. "Das Taize-Treffen in Rom gibt mir und meinen Freunden Kraft und Zuversicht."
Wie Maria haben sich 40.000 Jugendliche aus ganz Europa vom 28. Dezember bis 2. Januar in Rom auf den "Pilgerweg des Vertrauens" begeben. Die Idee dazu hatte der Gründer der Bruderschaft von Taize, Frere Roger. Vor 35 Jahren rief er den symbolischen Pilgerweg ins Leben.
Viertes Taizé-Treffen in Rom
Die Initiative soll Vertrauen und Solidarität unter den Menschen stiften und knüpft an die Grundidee der Taize-Bruderschaft an, unterschiedliche Länder und Konfessionen Europas einander näherzubringen. In wechselnden europäischen Großstädten feiert die Gemeinschaft seither jedes Jahr Silvester mit gemeinsamen Anbetungen, Gesprächen über Glauben und interkulturellen Begegnungen.
In Rom findet das Taize-Treffen bereits zum vierten Mal statt, in diesem Jahr zum ersten Mal mit Benedikt XVI. Als der Papst zu Beginn der Andacht mit seinem Papamobil auf dem Petersplatz vorfährt, sind die Jugendlichen plötzlich wie gebannt. Sie stellen sich auf die Stühle, um ihn besser sehen zu können, heben ihre Kerzen in die Höhe, jubeln in die Richtung des weißen Gefährts, aus dem der Papst ihnen zuwinkt.
In seiner Ansprache an die Jugendlichen zitiert Benedikt XVI. zunächst seinen Vorgänger Johannes Paul II.: "Der Papst fühlt sich aufs Tiefste verbunden mit euch in dieser eurer Pilgerfahrt des Vertrauens auf der Erde. Auch ich bin aufgerufen, ein Pilger des Vertrauens im Namen Christi zu sein". Er freue sich darüber, dass die Jugendlichen auf diese Weise das Anliegen des Jahres des Glaubens verfolgten, das im Oktober begonnen habe.
2.000 Jugendliche aus Deutschland
Als der Papst die Jugendlichen auf Polnisch grüßt, jubeln ihm Tausende polnische Jugendliche zu. Sie sind mit 12.000 Teilnehmern die mit Abstand größte Gruppe auf dem Treffen, aus Deutschland reisten 2.000 an.
Karol Jedrys und seine Frau Anna aus dem polnischen Lublin sind schon das fünfte Mal beim Taize-Jugendtreffen dabei. Den Papst haben sie schon öfter gesehen, etwa beim Weltjugendtag 2005 in Köln. "Meine Frau und ich folgen ihm überall hin", sagt Jedrys. "Er ist zurzeit unser Lieblingspapst", fügt er scherzhaft hinzu.
Auf den großen Bildschirmen an den Kolonnaden erscheint nun das Gesicht des Taize-Leiters Frere Alois. Er überreicht dem Papst einen Bastkorb aus Ruanda, wo einige Taize-Brüder bereits im November den Pilgerweg des Vertrauens gegangen waren. In dem Korb sind Hirsesamen. Diese könne der Papst in den Vatikanischen Gärten pflanzen, so Frere Alois.
Gespräche und Workshops zum Thema Glauben
Guy Dibangue, ein junger Teilnehmer aus der französischen Diözese Poitiers, stammt ursprünglich aus Afrika. Er freut sich über diese Geste. Nun ist er neugierig auf die Gespräche mit den anderen Teilnehmern. In den kommenden Tagen wird es viele Gruppengespräche und Workshops zum Thema Glauben geben. Guy interessiert vor allem eines: "Ich will wissen, wie Jugendliche aus anderen Ländern ihre Religion leben", sagt er.
Frère Alois erinnert zudem an den Wunsch vieler Gläubiger, die Einheit der Kirchen durch ihr Leben "vorwegzunehmen". Versöhnte Christen könnten zu "Zeugen des Friedens und der Gemeinschaft, zu Trägern einer neuen menschlichen Solidarität" werden. Die von der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé praktizierte Ökumene lade nicht zu einer "oberflächlichen Toleranz" ein, betonte Frère Alois. Sie fordere vielmehr zu einem anspruchsvollen gegenseitigen Zuhören und zu einem wahren Dialog auf.
Bei dem Abendgebet erinnert der Prior von Taizé auch an den letzten Brief von Frère Roger kurz vor dessen Tod, in dem er dem Papst versicherte, "dass unsere Gemeinschaft gemeinsam mit Ihnen vorangehen will". Damals hatte es Gerüchte über einen angeblichen Übertritt des Taizé-Gründers zur katholischen Kirche gegeben. Bei der Trauerfeier für Papst Johannes Paul II. hatte Frère Roger aus der Hand des damaligen Kardinals Joseph Ratzinger die Kommunion erhalten.