Was sind die wichtigsten Auswahlkriterien für den neuen Papst? Die geographische Herkunft sei zumindest nicht entscheidend, meint der brasilianische Kardinal Odilo Pedro Scherer, einer der Top-Anwärter auf den Stuhl Petri. Wichtig sei nur, wie der künftige Papst das Amt ausfülle. Das mit der geographischen Herkunft sieht man im saarländischen Theley allerdings ganz anders: Der 3.300 Einwohner zählende Ort ist wie elektrisiert, seit der Kardinal aus der 24-Millionen-Metropole Sao Paulo, der deutsche Vorfahren hat, zu den Favoriten gehört.
Es gebe gegenwärtig kaum ein anderes Gesprächsthema, bekennt Ortsvorsteher Friedbert Becker (CDU). Alle fieberten dem Ausgang des Konklaves entgegen - ganz nach dem Motto "Theley wird Papst". Scherer, der im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul aufwuchs, hat seine Wurzeln in Theley im Landkreis Sankt Wendel.
Er spricht neben Italienisch und Hochdeutsch auch den heute etwas antiquiert klingenden moselfränkischen Dialekt der Auswanderer aus dem Nordsaarland und Hunsrück. Das "Riograndenser Hunsrückisch" - in einigen Gebieten Brasiliens sogar zweite Amtssprache - entwickelte sich aus "Hunsrücker Platt", angereichert mit den Dialekten anderer deutscher Einwanderer und Begriffen aus dem Portugiesischen.
Kontakt zur alten Heimat
Die deutschen Vorfahren Scherers lebten bis Ende des 19. Jahrhunderts in der Region des heutigen Saarlandes. Sein Urgroßvaters entfloh 1880 als "Ackerer und Wagenbauer" in einer der Auswanderungswellen bitterer Armut und Chancenlosigkeit. Die brasilianische Regierung hatte Deutsche mit bezahlter Überfahrt, Verleihung der Bürgerrechte, mit Geschenken von Land, Vieh sowie mit Steuerbefreiung gelockt. Heute haben in Rio Grande do Sul, dem südlichsten der 16 brasilianischen Bundesländer, etwa drei Millionen der 9,6 Millionen Einwohner deutsche Vorfahren.
Wie viele andere Nachfahren der frühen Auswanderer suchte auch der heute 63-jährige, groß gewachsene Kardinal Scherer wiederholt Kontakt zur alten Heimat. Zwischen 1982 und 2003 war er mehrere Male Gast in Theley, beim letzten Mal schon als Weihbischof von Sao Paolo, der größten Diözese im zahlenmäßig größten katholischen Land der Welt.
Damals traf Ortsvorsteher Becker den potenziellen künftigen Papst bei einem Empfang, allerdings nur kurz. Besser kennt ihn Mathilde Ludwig, die Scherer "Tante Mathilde" nennt und in deren Gästehaus "Casa do Brasil" er bei seinen Aufenthalten wohnte. Die Verbindung blieb seither bestehen. Die Familie Ludwig wagte denn auch schon eine Einschätzung des möglichen Pontifikats von Scherer: Odilo werde das Herz Johannes Pauls II. mit dem Intellekt des Kirchengelehrten Ratzinger verbinden.
Kein Geburtshaus, keine Taufkirche
Einen Papsttourismus wie in Marktl am Inn, dem Geburtsort des Alt-Papstes, erwartet der Ortsvorsteher von Theley im Fall der Wahl Odilo Scherers aber nicht. Dafür gebe es einfach zu wenig zu sehen, räumt er ein. Kein Geburtshaus, keine Taufkirche, allenfalls Scherers Eintragungen im Gästebuch der Mathilde Ludwig.
Dennoch erlebt das Dorf mit den überwiegend katholischen Einwohnern schon vor der Entscheidung in Rom ein ungewohntes mediales Interesse. "Das könnte schon zu einem kurzen Rummel führen", meint Becker. Er will jetzt unter den vielen Scherers in Theley - auch seine Frau trug den Nachnamen - diejenigen suchen, die noch mit dem Papst in spe verwandt sind.