Seit einem Jahr gibt es eine Ikone von ihm in München, in der rechten Hand ein orthodoxes Kreuz mit drei Querbalken und eine weiße Rose: Die Russisch-Orthodoxe Auslandskirche hat Alexander Schmorell 2012 zur Ehre der Altäre erhoben. Er gilt ihr als Märtyrer, der aus tiefer christlicher Überzeugung den Nationalsozialisten die Stirn bot. Am Samstag (13.07.2013) jährt sich der Tag seiner Hinrichtung zum 70. Mal. Hochrangige orthodoxe Bischöfe verschiedener Nationalitäten versammeln sich aus diesem Grund in München zu einer festlichen Liturgie.
Schmorell und Hans schrieben 1942 die ersten vier Flugblätter, Schmorell besorgte Schreibmaschine und Vervielfältigungsapparat. Auf ihn geht auch eine wichtige Passage im zweiten Flugblatt zurück, das den hunderttausendfachen Judenmord in Polen als "das fürchterlichste Verbrechen an der Würde des Menschen" anprangert: Es war das erste Mal, dass Nazigegner in Deutschland den Holocaust öffentlich machten.
Schmorell stammte aus der südrussischen Stadt Orenburg. Früh starb seine Mutter, die Tochter eines russischen Priesters, an Typhus. 1921 floh die Familie vor den Revolutionswirren nach München. Sein Vater, ein Arzt mit ostpreußischen Wurzeln, eröffnete dort eine Praxis. Alexander wurde deutscher Staatsbürger, die Familie sprach weiter russisch miteinander.
Der Wahrheit gedient
Von der Münchner Historikerin Christiane Moll stammt die bisher einzige biografische Abhandlung über Schmorell in deutscher Sprache. Sie zeichnet darin das Porträt eines expressiven Charakters mit melancholischen Zügen, mit einer großen Sehnsucht nach seiner russischen Heimat, einer schwärmerischen Liebe zur älteren verheirateten Schwester seines Jugendfreundes und Mitverschwörers Christoph Probst.
"Alexander konnte andere Menschen mitreißen, er war wahnsinnig hilfsbereit und scheute kein Risiko", sagt die Forscherin. Nach der Festnahme der Geschwister Scholl im Februar 1943 wollte sich Schmorell nach Österreich absetzen, aber die Flucht misslang, eine Bekannte verriet ihn. "Im Angesicht des Todes hat er sein Schicksal angenommen, im Gefühl, eine Mission erfüllt und der Wahrheit gedient zu haben", sagt Moll.
Die russischen Christen in der bayerischen Landeshauptstadt halten Schmorells Andenken schon lange in Ehren. In dessen 50. Todesjahr 1993 geschahen kurz hintereinander Dinge, die Erzpriester Nikolai Artemoff rückblickend als göttliche Fügung ansieht: Ein Halbbruder Schmorells übergab der Gemeinde unbekannte Dokumente und Briefe; in einem Moskauer Geheimarchiv tauchten Schmorells verschollene Prozessakten auf; nach mehreren erfolglosen Versuchen fand sich in München endlich ein Grundstück zum Bau einer eigenen Kirche – nur wenige hundert Meter entfernt von Schmorells Grab und der Stätte seines Todes.
Glaubenszeuge des 20. Jahrhunderts
Zu den sogenannten Neumärtyrern der Russisch-Orthodoxen Kirche zählten bis 2012 nur Glaubenszeugen des 20. Jahrhunderts, die unter den Sowjets ihr Leben ließen. Schmorell ist der erste unter ihnen, der nicht dem Kommunismus zum Opfer fiel.
Am Morgen vor seinem Tod unter dem Fallbeil lässt der 25-Jährige einen russischen Seelsorger ins Gefängnis Stadelheim kommen. Der junge Mann legt die Beichte ab und schreibt einen letzten Brief an die Familie. Dieser endet mit den Zeilen: "In wenigen Stunden werde ich im besseren Leben sein, bei meiner Mutter und ich werde Euch nicht vergessen, werde bei Gott um Trost und Ruhe für Euch bitten. Und werde auf Euch warten! Eins vor allem lege ich Euch ans Herz: Vergeßt Gott nicht!!!"