Caritas: Kita-Ausbau Sache des Bundes

"Nationales Interesse"

Der ab August bestehende Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige verschärft den Mangel an Erziehern. Frank Jansen vom Bundesverband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder über mögliche Auswege aus dem Dilemma.

 (DR)

domradio.de: Ab August 2013 gilt in Deutschland ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr. Bislang steht dafür aber kein bedarfsdeckendes Angebot zur Verfügung. Warum ist das so?

Jansen: Wir haben diesen Ausbau bisher begrüßt, weil er familienpolitisch und vor allen Dingen aus bildungspolitischer Perspektive die richtige Entscheidung war. Bloß ist dann einiges schief gelaufen. Das Ausbautempo seit 2008 hat nicht gestimmt. Wir haben z.B. in den Jahren 2008-2010 einen jährlichen Zuwachs in den Kommunen von über 50.000 Plätzen gehabt. Das ist damals sehr leicht gewesen, weil man Kindergartenplätze quasi in U3-Plätze umwandeln konnte. Das ist dann in den Jahren 2011 und 2012 ganz massiv zurückgegangen, weil man dann nur noch auf Neu- und Umbauten setzten konnte. Die sind sehr viel teurer. Wenn Sie heute einen U3-Platz neu bauen, kostet das pro Platz zwischen 10 und 20.000 Euro. Den Kommunen fehlen zudem günstige Grundstücke und auch die Fachkräfte. 

domradio.de: Wie beurteilen sie dieses Dilemma? Ist es wirklich eine Katastrophe?

Jansen: Es ist ein Dilemma. Ich schätze, es fehlen jetzt mindestens 100-120.000 Plätze. Wenn jetzt alle Eltern diese Plätze in Anspruch nehmen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu klagen. Aber wir sehen diese Klagewelle im Moment nicht auf uns zukommen. Von daher würde ich nicht von einer Katastrophe sprechen.

domradio.de: Familienministerin Schröder sagt, dass der Betreuungsbedarf variiert und beruhigt eher. Wie beurteilen sie die Haltung der Familienministerin?

Jansen: Wenn der Betreuungsbedarf nicht gedeckt ist, ist das kein Grund zur Beruhigung. Das ist regional aber ganz unterschiedlich. Es gibt mit Sicherheit in Ballungszentren einen Riesenbedarf, der nicht gedeckt werden kann.

domradio.de: Welches Szenario haben sie vor Augen, wenn in gut zwei Wochen der Rechtsanspruch gilt?

Jansen: Uns fehlen gegenwärtig über 12.000 Fachkräfte. Aber jetzt wurden ja die Fachkräftekataloge aufgeweicht. Sie haben jetzt als berufsfremde nicht ausgebildete Erzieherin die Möglichkeit, in der Kita zu arbeiten, da ist zum Beispiel die Rede von Hebammen. An diese Voraussetzungen sind aber auch Bedingungen geknüpft, man muss eine entsprechende Weiterqualifizeriung absolvieren. Wir werden uns gegen Gruppenerweiterungen wehren, wenn diese nicht verantwortbar sind. Unsere Kirchengemeinden stehen ja vor der Herausforderung, sich auch weiter als Partner der Kommunen zu beweisen. Das heißt, wir lassen uns ein auf verantwortbare Übergangslösungen, die befristet sein müssen, die man aber nicht flächendeckend bundesweit definieren kann.

domradio.de: Von gut einer halben Million Kita-Plätzen betreuen sie in Deutschland mehr als 70.000. Was wären denn für sie verantwortbare Übergangslösungen?

Jansen: Das ist abhängig von den regionalen Vorraussetzungen. Wenn eine Kita den Raumbedarf und die Ausstattung bietet, um ein oder zwei Kinder mehr in der Gruppe aufzunehmen, dann werden wir das sicher befristet tun. Es gibt aber Kitas, da ist das nicht möglich. Wir haben auch die Möglichkeit, befristet an der einer oder anderen Stelle Platzsharingangebote zu machen. Das müssen die Träger in ihrer Verantwortung für die Qualität in der Betreuung entscheiden.

domradio.de: Wie lässt sich die Situation jetzt ab August regeln?

Jansen: Ich kann nur darauf setzen, dass das, was wir begonnen haben, jetzt weitergeführt wird. Wir müssen diesen Ausbau verstärkt weiterführen. Wir müssen auf alles das setzen, was wir mit der Fachkräftegewinnung initiiert haben. Da gibt es einige Initiativen von Bund und Ländern. Das hilft den Eltern kurzfristig nicht, man kann nur mit mittelfristiger Perspektive weiterkommen.

domradio.de: Was fordern sie als Bundesverband von der Regierung?

Jansen: Wir brauchen eine Attraktivitätssteigerung des Berufs Erzieherin und bessere Rahmenbedingungen in den Kitas. Daher fordern wir ein Bundesqualitätsgesetz. Wir haben im Moment derartige Unterschiede von Land zu Land, das ist nicht hinnehmbar. Eine optimale und ausreichende Betreuung, Bildung und Erziehung von Kindern nationales Interesse ist und wir daher mit der Länderzuständigkeit Schluss machen müssen.

Das Interview führte Monika Weiß.


Quelle:
DR
Mehr zum Thema