Malta wegen unerträglicher Zustände in Asylgefängnis verurteilt

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Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat Malta wegen unerträglicher Zustände in einem Asylgefängnis verurteilt. Doch ändern wird sich wenig für die Schutzsuchenden in Malta, meint Lydia Leykauf (Malta-Korrespondentin).

Lager für Asylsuchende in Malta (dpa)
Lager für Asylsuchende in Malta / ( dpa )

domradio.de: Es sind die Fälle einer Somalierin und eines Mannes aus Sierra Leone, die verhandelt wurden. Worum ging es dabei?

Lydia Leykauf: Die Frau aus Somalia war 2009 gekommen und es wurde geklagt, dass ihre Unterbringung unmenschlich ist und deswegen hat man Malta verklagt und Recht bekommen. Beim zweiten Fall geht es um einen Mann aus Sierra Leone. Er war 2011 gekommen, war 18 Monate in einem Internierungslager und hat im Prinzip keinerlei Zugang zu einem Richter. Er konnte nicht überprüfen, warum bin ich hier eigentlich gefangen genommen, geht etwas weiter? Wird mein Asylantrag geklärt? Diese ganzen Dinge wurden einfach ewig verschleppt und das sind die beiden Fälle, die jetzt dort entschieden wurden.

domradio.de: Sind das denn Einzelfälle oder entsprechen sie den üblichen Bedingungen für Flüchtlinge auf Malta?

Leykauf: Es sind insofern Einzelfälle als das sehr selten jemand sagt, ich nehme es auf mich, ein Land - nämlich Malta - zu verklagen. Das ist ein langwieriger Prozess. Beide Verfahren gingen gut über zwei Jahre. Auf der anderen Seite sind es keine Einzelfälle, weil die beiden so behandelt wurden wie alle. Die Zustände, die hier für die ankommenden Flüchtlinge sind, sind wirklich gravierend und erschreckend.

domradio.de: Nämlich wie?

Leykauf: Man muss sich das vorstellen, sie werden mit ihrer Ankunft verurteilt, weil sie illegal eingereist sind. Dieser Grund bringt sie direkt ins Gefängnis. Das ist eine riesige Anlage, die vom Militär bewacht wird. Wenn die Menschen in dieses Lager kommen, bekommen sie eine Tüte mit zwei Unterhosen, zwei Paar Socken, zwei T-Shirts, ein Paar Flip-Flops und das muss denen teilweise 18 Monate reichen als Grundausstattung. Sie haben am Tag etwa zwei Stunden sogenannten Freigang. Es sind ausschließlich männliche Bewacher. Auch in dem Frauenflügel nur Soldaten, die die Menschen dort bewachen, die Fenster sind vergittert. Es ist also wirklich wie in einem Gefängnis. Das Essen wird ihnen zugeschoben. Ich habe das mal gesehen, das ist in Aluboxen. Das wird zugeschoben und wieder zurückgeschoben. Das ist wirklich menschenunwürdig, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes "gehalten" werden.

domradio.de: Und die Dauer des Asylverfahrens ist auch durchaus üblich?

Leykauf: Die Dauer des Asylverfahrens, dass sie dort zwölf Monate überhaupt nicht wissen, was passiert, ist üblich. Die Frau (aus Somalia) hat etwas schneller einen negativen Asylentscheid bekommen, aber dann sitzen sie dort. Werden sie zurückgeschoben oder nicht? Sie erfahren es nicht. Sie sitzen bis zu 18 Monate in diesen Lagern, wo es entweder sehr heiß ist oder relativ kühl, weil es weder Heizung noch Klimaanlage gibt. 

domradio.de: Jetzt hat der Europäische Gerichtshof Malta verurteilt, könnte das ein Signal sein für ein Umschwenken?

Leykauf: Ich habe gestern mit dem Anwalt von dem Mann aus Sierra Leone gesprochen und er befürchtet, leider wohl eher das Gegenteil. Die neue Regierung sagt zwar, wir werden hier für etwas bestraft, was die alte Regierung gemacht hat, aber es ist jetzt keine zwei Wochen her, dass der neue Regierungschef gesagt hat, wir schicken neu ankommende Flüchtlinge zurück. Er fährt eine sehr populistische Linie in Sachen Flüchtlingsfragen und er kann sich ein bisschen zurücklehnen, weil er weiß, so ein Verfahren dauert bis zu zwei Jahre. Die Öffentlichkeit schaut hin, aber was dort entschieden wurde, ist nicht neu. Es gibt seit Jahren Verweise darauf, dass die Flüchtlingspolitik und die Art wie Flüchtlinge hier untergebracht werden unmenschlich sind, aber man schaut hin und man schaut wieder weg. Die Befürchtung, dass es sich nicht verbessert, ist relativ groß. Auch wenn es ein klarer Entscheid war, der da gefällt wurde, aber es wird sich nichts ändern.

domradio.de: Aber was bedeuten die Urteile für die Betroffenen?

Leykauf: Die Betroffenen haben beide einen negativen Asylentscheid, sie haben zwar jetzt Recht bekommen, aber sie können in Malta warten bis sie entweder abgeschoben werden und das Geld nutzen, dass sie sich vielleicht weiterbilden. Sie können sagen, gut, wir fliegen jetzt auf unsere eigene Kosten zurück, selbst wenn das heißt, wir sind ganz schlimmen Lebensbedingungen in unseren Heimatländern ausgesetzt. Das heißt für die beiden hat es nicht viel Wirkung. Es hat vielleicht etwas Wirkung für die Hilfswerke, die sagen, jetzt müssen wir uns neu ausrichten und Menschen bestärken, mehr vor Gericht zu gehen, aber die beiden haben individuell ein bisschen Geld davon, aber ansonsten nichts. Die Frau von Somalia wird nicht nach Schweden gehen können, wo ihr Vater und der Rest der Familie sind, weil sie wegen Dublin nicht ausreisen darf.

Das Interview führte Heike Sicconi


Quelle:
DR