Als der Erste Weltkrieg die Region erreichte, gehörte Großsyrien mit seinem südlichen Teil Palästina zum Osmanischen Reich. Im Zweiten Weltkrieg zog sich die Schwesterngemeinschaft nach Bethlehem zurück und ging erst wieder 1948 nach Syrien. 1967 besetzte die israelische Armee den nahe Damaskus gelegenen Golan, 1973 folgte ein weiterer Krieg mit Israel. Seit mehr als zwei Jahren, erzählt Schwester Bridget aus Irland, sähen sie nun mit großer Traurigkeit die Zerstörung des Landes.
Mit ihren 77 Jahren ist die Irin eine der Ältesten in der Damaszener Don-Bosco-Gemeinschaft, die neben dem Italienischen Krankenhaus je ein Konvent für Männer und Frauen unterhält. Dort feiern sie öffentliche Messen, bieten Nähkurse für Frauen an, Kinder und Jugendliche werden unterrichtet; sie können musizieren, auf dem großen Platz hinter den Gebäuden Ball spielen oder auch einfach nur herumtoben. Der sozialen, spirituellen und psychologischen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen räumen die Salesianer von Don Bosco die größte Bedeutung ein.
Leiterin der Salesianer Schwestern ist die energische Oberin Carol, die aus Aleppo stammt. Dort seien ihre Eltern durch die Kämpfe eingeschlossen, erzählt sie. Doch verlassen wollten sie ihre Heimatstadt auf keinen Fall. An diesem heißen Sommertag jedoch scheinen alle Sorgen von Schwester Carol und ihren Mitschwestern abgefallen. Weit über 100 Kinder und Jugendliche genießen das Ferien- und Freizeitprogramm, das hier von Mitte Juni bis Ende Juli angeboten wird.
Ferienprogramm trotz Krieg
Anders als vor dem Krieg kann man nicht mehr zur Freizeit in die Berge nach Kafroun fahren. Doch Pater Munir Haneshi und Pater Alejandro haben mit jugendlichen Teamleitern und engagierten Eltern ein buntes Programm aufgestellt. Pater Munir, der aus Aleppo stammt, wurde erst kürzlich in Turin zum Priester geweiht, wo er die letzten drei Jahre Theologie studiert hat. Er habe es gar nicht abwarten können, wieder in seine Heimat zu kommen, erzählt er. Das Syrien, das er gekannt habe, habe er nicht wiedergefunden. Dennoch freue er sich, wieder daheim zu sein: "Es ist schwer, fort zu sein, wenn es Deiner Heimat schlecht geht."
Pater Alejandro stammt aus Venezuela. Nach dem Studium der arabischen Sprache kam er 2010 nach Syrien und kann sich noch gut erinnern, wie Damaskus früher war. Auf seinem T-Shirt steht "Ich liebe Damaskus" in Englisch und Arabisch. Das Wort "liebe"' wird durch ein Herz symbolisiert. Beide Padres haben den Orden von Don Bosco als Kinder kennengelernt. Als junge Männer entschieden sie sich dann, dem Orden beizutreten.
Mit Jeans und kurzen Sommerhosen mischen sich die Padres unter die Jugendlichen, spielen mit ihnen Tischfußball oder ziehen sich zum persönlichen Gespräch mit Einzelnen zurück. Viele der jungen Leute suchen das Gespräch, sagt Pater Alejandro. "Sie fragen, wo ist Gott?
Warum lässt er das Grauenhafte hier geschehen?" Er und Pater Munir könnten ihnen diese Fragen nicht beantworten, räumt Pater Alejandro ein. "Aber wir öffnen ihnen unser Haus und sagen ihnen, dass sie immer willkommen sind", betont er. "Wir sind bei ihnen, im Frieden und im Krieg." Die Christen seien wie alle anderen Religionsgruppen ein Teil Syriens und sollten nicht weglaufen.
Mut machen in schwieriger Zeit
Der Auftrag von Don Bosco sei es, Kindern und Jugendlichen auch in schwieriger Zeit Mut zu machen, sagt Pater Alejandro. Sie bräuchten psychologische und spirituelle Hilfe. "Wir wollen die Arbeit nicht ruhen lassen, gleichzeitig wollen wir nicht, dass die Kinder in Gefahr geraten. Dafür brauchen wir Mut und ein Höchstmaß an Vorsicht."
Sie könnten nicht verhindern, dass Familien Syrien verließen. Vor allem die Sorge, dass die Söhne zur Armee müssen, mache den Menschen Angst. Die Christen in Syrien seien Menschen des Friedens, sagt Pater Alejandro. Doch der Krieg verändere auch sie. Er habe mit jungen Männern gesprochen, die einer Einheit von 80 Soldaten angehörten. 60 seien bei einem Einsatz getötet worden, und die jungen Männer hätten sich gefragt: Warum starben die anderen, warum wurde ich gerettet?
Einige wollten nun erst recht kämpfen, der Tod ihrer Freunde sei wie eine Verpflichtung. "Dabei wissen sie, dass es falsch ist zu töten", sagt Pater Alejandro. "Und tief im Herzen wollen sie es auch nicht."
Bei dem abendlichen Fest in der Versammlungshalle des Konvents vergessen die jungen Leute ihre Sorgen. Bei lauter Musik wird getanzt, manche sitzen zusammen und unterhalten sich, andere spazieren über den Hof und genießen die abendliche Kühle. Beim Tischfußball wetteifern Oberin Carol und Pater Munir mit Spielpartnern um die höchste Punktzahl.
Unter den Zuschauern ragt Tiego Odem hervor, ein groß gewachsener Sudanese. Mit fünf Jahren sei er das erste Mal mit seiner Mutter in diese Kirche gekommen, erinnert er sich. Heute feiert Tiego einen ganz besonderen Erfolg, wie er sagt: "Ich habe das Abitur geschafft." Dann schweigt er einen Moment und erzählt, dass er sich nicht wirklich freuen könne. "Ich habe einen Freund verloren, der als Soldat in Raqqa getötet wurde", sagt er. "Wir kannten uns von klein auf." Wenn er die Chance bekomme, möchte Tiego in Kanada Psychologie studieren. "Ich mag es, Menschen miteinander zu verbinden, ich möchte mich sozial engagieren", sagt er. Psychologen würden überall gebraucht, ist er überzeugt. Sie könnten sich in die Menschen hineinversetzen und zuhören: "Das ist es, was die Welt heute braucht."