Streit um Armeedienst im Heiligen Land

Bruderzwist

Gabriel Nadaf ist griechisch-orthodoxer Priester in Nazareth - und zunehmend Gesprächsthema israelischer und palästinensischer Medien. Nadaf hat ein Tabu gebrochen, das das Zeug hat, einen ideologischen Bruderkrieg zu provozieren.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Israels Armee (dpa)
Israels Armee / ( dpa )

Nadafs Unterstützung für die Integration junger israelischer Christen in den Wehr- und Zivildienst droht die Christen im Heiligen Land zu spalten. Es sind Fragen über die Identität der einheimischen Christen und ihre Haltung zu Israel, die Nadaf und das 2012 gegründete christliche Offiziers-Forum aufwerfen. Auf der einen Seite steht eine Generation junger Christen mit israelischem Pass, die ihre Zukunft im Staat Israel sieht und volle Integration sucht. Die Charakterisierung als «arabische Christen» wird bewusst vermieden, manchmal vehement zurückgewiesen: "Wir sind Aramäer, wir sind israelische Christen. Wir lassen uns keine Arabisierung aufzwingen", kritisiert Shadi Haloul vom Offiziers-Forum.

Ihnen gegenüber stehen die offiziellen Kirchen und viele palästinensische Christen, die in der Initiative einen weiteren israelischen Versuch sehen, einen Keil in die palästinensische Bevölkerung zu treiben und Israels Christen und Muslime zu spalten. Deutlich sind die Worte des Jerusalemer Alt-Patriarchen Michel Sabbah. In seiner Funktion als Vorsitzender der Kommission "Justitia et Pax" der Bischöfe des Heiligen Landes kritisierte er das israelische Militär als "Aggressionsarmee". Der Dienst führe die Besatzung Palästinas fort und sehe Israels als jüdischen Nationalstaat.

Die palästinensisch-christliche Initiative "Kairos Palästina" verurteilte die Rekrutierung arabischer Christen durch die "Besatzerarmee" als unmoralisch und schädlich für die "palästinensisch-christliche Identität". Wer diese Rekrutierung unterstütze, "repräsentiert nicht uns, nicht unsere Kirchen und nicht die Christen".

Wer dient, dient freiwillig

Das Offiziers-Forum sieht solche Positionen bestimmt von einer Angst vor der islamischen Mehrheit. "Die Wahrheit ist, dass viele Christen den Nahen Osten verlassen haben wegen Kirchenführern wie diesen. Meine Rede ist vielleicht aggressiv, aber klar und ehrlich: Wir Christen in Nahost sind in die heutige Situation geraten durch Angst", sagt Haloul: "Wir sind Bürger Israels und unsere Regierung repräsentiert uns, gleich welcher Religion." Aus seinen Worten wird umgekehrt auch die Angst vor einer zunehmenden Islamisierung in Nahost spürbar: "Wir leben hier in einem guten Platz. Warum sollten wir ihn nicht verteidigen?"

Bislang sind Israels Christen nicht zum Militärdienst verpflichtet. Wer dient, dient freiwillig. Entsprechend groß ist das Unverständnis in der eigenen Gemeinschaft. "Ich bin in ein jüdisches Wohnviertel gezogen und gehe nicht in Uniform durch die Stadt - es ist unangenehm, also passt man sich an", so schildert die 28-jährige Irin ihre Erfahrungen. Die katholische Juristin aus Nazareth hat sich aus Überzeugung für den freiwilligen Armeedienst entschlossen, gegen den Widerstand ihrer Familie.

3.000 Christen im wehrpflichtigen Alter

Insgesamt leisten derzeit nach Armeeangaben 140 arabische Christen Dienst an der Waffe, Männer und Frauen. Dazu kommen Tausende christliche Einwanderer aus anderen Ländern. Ein neues Gremium aus Regierungs- und Christenvertretern will den Christenanteil weiter fördern - auch wenn 3.000 Christen im wehrpflichtigen Alter angesichts einer landesweiten Einberufungsrate von fast 75 Prozent der Männer und knapp 60 Prozent der Frauen nur ein kleines Potenzial sind.

Nadaf und seine Mitstreiter geht es nicht nur um die Beteiligung an "unserem Staat": Der Zivil- oder Wehrdienst bringe wirtschaftliche und mentale Vorteile, meint Nadaf - eine Position, die von der Offizierin Irin bestätigt wird: "Anwalt in der Armee zu sein, öffnet viele Türen. Ich habe vieles in der Armee gelernt, was man andernorts nicht lernen kann." Sie bereut ihren Entschluss nicht - und hat sich für weitere zweieinhalb Jahre verpflichtet. Andere junge Christen ermutigt sie, es ihr gleich zu tun, "aber nur auf freiwilliger Basis, denn dann geben wir unser Bestes".


Quelle:
KNA