Auslöschung des Christentums in Syrien befürchtet

"Zeuge eines Exodus‘"

Der Bürgerkrieg in Syrien bedroht laut dem Weltkirchenrat immer stärker die Existenz der christlichen Gemeinden. Die Evangelische Kirche wirft den Vereinten Nationen Versagen in dem Konflikt vor.

Zerstörte Straße in Homs / © CSI (KNA)
Zerstörte Straße in Homs / © CSI ( KNA )

Rund 60.000 der ursprünglich 80.000 Christen in der größten Stadt des Landes, Aleppo, seien bereits vor Gewalt und Bedrohungen geflohen, warnte die Beauftragte des Weltkirchenrates für den Nahen Osten, Carla Khijoyan, in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Genf.

"Wir werden Zeuge eines dramatischen Exodus'", sagte Khijoyan. Aus anderen Städten des arabischen Staates seien vergleichsweise ähnlich große Gruppen von Christen geflohen wie aus Aleppo, betonte die Beauftragte des Weltkirchenrates für den Nahen Osten. Vor allem militante islamistische Rebellengruppen attackierten die Christen. "Die verbliebenen Christen leben in ständiger Todesangst." Die meisten geflohenen Christen seien im Ausland untergekommen, viele irrten innerhalb Syriens umher.

"Es ist zu befürchten, dass die Christen nie mehr in ihre Heimatstätten zurückkehren werden", sagte Khijoyan. Die Folge könnte eine Auslöschung des Christentums in Syrien sein. Auf dem Gebiet des heutigen Syriens entstanden einige der ältesten christlichen Gemeinden.

Millionen auf der Flucht

Vor Ausbruch der Konfrontation zwischen dem Regime des Diktators Baschar al-Assad und der Opposition im März 2011 lebten etwa zwei Millionen Christen unter den insgesamt 21 Millionen Syrern. Die christliche Minderheit konnte unter Assad ihre Religion unbeschränkt ausüben, das Regime erlaubte den Bau von Kirchen, Schulen und anderen Einrichtungen. Christen wurden auch wirtschaftlich und bei der Vergabe von Verwaltungsposten bevorzugt. Das Regime versuchte mit dieser Strategie, die Christen zu vereinnahmen.

Insgesamt flohen mehr als zwei Millionen Menschen vor der Gewalt in Syrien, mehrere Millionen suchen als Binnenflüchtlinge innerhalb Syriens nach Schutz. Die Beauftragte des Weltkirchenrates Khijoyan ist eine libanesische Christin, die aus einer armenischen Familie stammt. Der Ökumenische Rat der Kirchen umfasst rund 350 Kirchen mit etwa 560 Millionen Gläubigen, christliche Kirchen in Syrien sind Mitglieder des Dachverbandes. Die katholische Kirche gehört dem ÖRK nicht an.

Schindehütte kritisiert UN

Der evangelische Auslandsbischof Martin Schindehütte wirft den Vereinten Nationen vor, im Umgang mit dem Syrien-Konflikt versagt zu haben. "Ich glaube, dass die Weltgemeinschaft die Möglichkeiten, die sie gegenüber Syrien hat, nicht wirklich eingesetzt hat", sagte er im Deutschlandradio Kultur. Zum einen hätte die Lieferung von Waffen an die Konfliktparteien längst gestoppt werden müssen. Zum anderen wäre "eine glasklare diplomatische Intervention" nötig gewesen. Schindehütte sprach von einem "doppelten Versagen" der Vereinten Nationen.

Schuld an der Handlungsunfähigkeit der UN sei vor allem Russland, da Moskau als Verbündeter von Präsident Baschar al-Assad Entscheidungen blockiere, fügte der Auslandsbischof der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hinzu. Gleichzeitig betonte er, dass auch Europa in der Pflicht sei: Die EU müsse mehr Initiative und ein "klareres Engagement" bei der humanitären Hilfe zeigen. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass Europa"neben den menschenrechtlichen und völkerrechtlichen Kriterien auch noch andere machtpolitische Interessen" berücksichtige.

Den Erfolg eines möglichen militärischen Eingreifens des Westens in Syrien hält Schindehütte zum jetzigen Zeitpunkt für fragwürdig. "Ob eine militärische Intervention jetzt wirklich die Möglichkeiten schafft, dieses schreckliche Sterben zu beenden - ich weiß es nicht genau. Ich sage aber auch nicht, dass es unter gar keinen Umständen geschehen darf."

In Syrien kämpfen seit März 2011 die Truppen des syrischen Machthabers Assad gegen Aufständische. Mehr als 100.000 Menschen kamen bislang in dem Konflikt ums Leben. Internationale Erschütterung löste am Mittwoch ein mutmaßlicher Giftgasangriff der Regierungstruppen aus, bei dem laut Opposition mehr als 1.000 Menschen getötet wurden.


Quelle:
epd