domradio.de: Woher kommen denn Ihrer Meinung nach in den meisten Fällen die Kinder, die Opfer von Kinderpornografie werden?
Ackermann: Ich denke, an der Gesellschaft ist schon was krank, wenn sie alles vermarktet. Und Kinder, die schutzlos sind, nicht so führt und schützt, dass sie sich gut entwickeln können. Offensichtlich passiert das in den verschiedensten Kreisen. Überall dort, wo die Familie große Schwierigkeiten hat im Zusammenleben, sind auch Kinder gefährdet. Oder wo gar keine Familien da sind. Und dass man diese Kinder, die schutzlos sind, so ausbeutet, dass sie kein gesundes Schamgefühl entwickeln können, dass man sie einfach wie Ware benutzt, egal, wie es ihnen damit geht, das finde ich das Schreckliche. Gucken Sie mal, ich habe einige Jahre in Afrika gearbeitet. In Ruanda, da gab es eine Gruppe der Twa – in Ruanda gibt es drei Volksgruppen, Twa, Hutu, Tutsi, und von den Twa hielt man am wenigsten, man sagt, das sind die am wenigsten zivilisierten. In ihrer alten Zeit sind sie oberkörperfrei und nur mit einem Lendenschurz bedeckt gegangen. Und nur mit dem Lendenschurz bedeckt haben sie trotzdem ein Schamgefühl gehabt. Wenn Fremde kamen, hat man geguckt, dass man sie in dem Bereich nicht so zur Schau stellt. Und wir, die wir uns bedecken mit Kleidern, wir vernachlässigen dieses Schamgefühl. Und das Schamgefühl ist für mich auch der Ausdruck, wie eine Gesellschaft respektvoll miteinander umgeht. Und das finde ich im Argen.
domradio.de: Wie schwer traumatisiert sind eigentlich solche Kinder, die Opfer dieser Kriminalität werden? Wie beeinflusst das ihr späteres Leben?
Ackermann: Oftmals ist es ganz schwer, dass sie ein gesundes Selbstverständnis zu sich selber haben, sich selber respektieren. Oder überhöht respektieren. Also, es ist ganz schwierig, dass sie wieder in ein Gleichgewicht kommen, wo sie gut mit sich und mit anderen umgehen können. Und es ist eigentlich schrecklich, dass mutwillig die Naivität, Unerfahrenheit, Hilflosigkeit von Kindern ausgenutzt wird für einen kurzen Spaß für die Erwachsenen. Ich finde das unglaublich,
domradio.de: Meinen Sie denn, dass die Konsumenten von Kinderpornografie sich das bewusst machen, oder verdrängen die vielfach die Realität?
Ackermann: Umso schlimmer, wenn man sich das nicht bewusst macht, wenn man nicht denkt, was muss da vorgegangen sein, damit man diese Bilder erreicht. Das ist doch das Schlimme. Kinder können weder abschätzen noch kennen sie sich selber und oftmals können sie sich nicht schützen, weil sie hilflos sind, weil der Andere in der stärkeren Position ist. Und das hängt ihnen ihr ganzes Leben nach.
domradio.de: Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestages, Wolfgang Bosbach von der CDU, fordert eine Überprüfung der gesetzlichen Regelungen zur Kinderpornografie. Was meinen Sie, sollten die Gesetze in Deutschland zum Thema Kinderpornografie weiter verschärft werden?
Ackermann: Ja, das denke ich schon. Ich denke, dass man da wirklich einen Schutzraum für die Kinder schaffen muss und es ist auch unglaublich, dass man auch in der Prostitution sagt, eine Achtzehnjährige kann das für sich schon entscheiden. Es gibt Achtzehnjährige, die sind Kinder. Die wissen nicht, was sie da entscheiden. Der Schutzraum für Kinder wird in unserer Gesellschaft immer geringer. Und deshalb sollte man ein entsprechendes Gerüst an Gesetzen schaffen, die diesen Schutzraum für Kinder garantieren. Und ich finde es überhaupt schrecklich, wie man mit dem gesamten Körper von Menschen umgeht, es ist ja auch dieser Handel mit Menschen. Wenn die Polizei uns eine Fünfzehnjährige bringt, die zwei Jahre hier in der Prostitution ausgebeutet wurde und dann überhaupt nicht die Missbraucher dieses Mädchens herangezogen werden, dann stimmt doch was nicht. Da müsste man doch sagen, warum ist es so schwer, in Deutschland den Kauf von Sex, den Kauf von menschlichen Körpern unter Strafe zu stellen. In Schweden und in Frankreich gibt es doch auch Anstrengungen in diese Richtung.