Das sichtbare Zeichen für Kontinuität ist der alte und neue Sekretär des Bischofs-Gremiums. Der Jesuit Hans Langendörfer (62) wurde in geheimer Wahl mit eindrucksvoller Mehrheit bestätigt. Gegenkandidaten gab es nicht, und der mit knapper Mehrheit gewählte neue Vorsitzende Marx (60) sicherte dem nun schon seit fast 18 Jahren amtierenden Langendörfer unverzüglich seine Kooperation zu. Falls die beiden höchst unterschiedlichen Führungspersönlichkeiten es eine komplette Amtszeit miteinander aushalten, könnte Langendörfer 2020 nach fast einem Vierteljahrhundert an der Spitze des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz und des "Verbands der Diözesen Deutschlands" aus dem Dienst scheiden.
Der bis dahin 66 Jahre alte Marx hätte dann noch mehr als zehn aktive Kardinalsjahre vor sich. Ob er nach einer ersten Amtszeit eine Wiederwahl als Vorsitzender anstreben wird, ließ er offen. Bis es so weit ist, muss sich noch manches zurechtruckeln unter Deutschlands Oberhirten. Denn in Münster wurde nicht nur bei der Wahl des Vorsitzenden deutlich, wie groß die Gegensätze zwischen den Lagern sind. Während die Befürworter von Reformen im Allgemeinen und der Liberalisierung des kirchlichen Eherechts im Besonderen mit mutmaßlichem römischen Rückenwind ihre Agenda entschlossen vorantreiben und dafür Medien-Beifall erhalten, tun sich die Konservativen schwer. Nach dem Verlust des Wortführers Kardinal Joachim Meisner hat sich in ihrer Schar noch keiner gefunden, der ihre Linie auch nach außen hörbar vertritt. Zwar stimmten überraschend viele Bischöfe für Münsters Bischof Felix Genn als "Kandidaten" der Konservativen, doch geschah dies ganz im Verborgenen. Ohne öffentliche Wortmeldung verließen auch konservative Vordenker wie der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke oder der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer die Wa(h)lstatt.
Kontroverse Debatte
Von Voderholzer ist immerhin der Ausruf überliefert "Das ist eine Schande!" - womit er unmittelbar vor seiner Abfahrt aus Münster zum Ausdruck gebracht haben soll, was er von der verschärften Debatte innerhalb der Konferenz um eine Zulassung von wiederverheiratet Geschiedenen zu den Sakramenten hält. Der (nicht öffentliche) Wiederstand der Konservativen gegen alles, was aus ihrer Sicht die Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe untergräbt, führte immerhin dazu, dass Kardinal Marx sich anschließend bemühte, das Tempo aus der Debatte zu nehmen. Dem gegenüber hatten unlängst noch sein Vorgänger Robert Zollitsch (Freiburg) und der Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst in Medienstatements die Erwartung geweckt, dass sich in dieser Sache schon recht bald etwas tun werde.
Die Befürworter einer Liberalisierung sehen sich offenbar im Aufwind - auch und vor allem theologisch. Der lange Vortrag, den Kardinal Walter Kasper vor den Kardinälen in Rom gehalten hat und dem Papst Franziskus applaudierte, wird von ihnen als Ausgangstext für mögliche Veränderungen zitiert. Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann nutzte Kaspers Anregungen bei einer Predigt in Münster als Steilvorlage für weitergehende Überlegungen, die er in eine Exegese der berühmten Jesusworte zur Ehebrecherin im Johannes-Evangelium kleidete. Wenn selbst Jesus eine Ehebrecherin nicht verurteilt, was soll dann die Kirche tun?
Öffentliche Opposition gegen eine Liberalisierung unter dem Banner der Barmherzigkeit kommt derzeit fast ausschließlich aus Rom. Der Präfekt der dortigen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, verteidigt die bestehende Lehre und Kirchendisziplin lautstark, doch theologisch scheinen in der Debatte derzeit mehr die Altmeister Kasper und Lehmann den Ton anzugeben.
Wie der Streit darüber in Münster verlief, ist, ebenso wie die Bedeutung des Ausrufs des Regensburger Bischofs, Gegenstand der Spekulation, da die Konservativen in Deutschland (bislang) nicht aus der Deckung kommen. Dass etwas, was über Jahrhunderte unverrückbar zur Lehre der Kirche gehörte, nun plötzlich auch im Streit der Meinungen argumentativ verteidigt und theologisch neu begründet werden muss, ist für sie eine völlig neue Erfahrung. Derzeit ziehen sie es offenbar vor, vor allem intern Widerstand zu leisten - zumal sie für ihre Position auf wenig Verständnis bei Öffentlichkeit und Medien hoffen können.