Runder Tisch zu Arbeit in Textilindustrie tagt im Entwicklungsministerium

Skeptische Blicke auf Gütesiegel

Entwicklungsminister Müller will die Sozialstandards in der Textilbranche verbessern. Doch die Branche könne nicht garantieren, dass in Spinnereien, Färbereien, Webereien und Nähereien "alles sauber" läuft, heißt es.

Näherin in Bangladesch (dpa)
Näherin in Bangladesch / ( dpa )

Rund ein Jahr nach dem Einsturz eines Fabrikgebäudes mit mehr als 1.130 Toten in Bangladesch will Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) die Einhaltung von Sozialstandards in der Textilbranche forcieren. Zu einem Runden Tisch kamen am Mittwoch rund 30 Vertreter von Textilindustrie, Handel, Gewerkschaften und Arbeitsrechtsinitiativen in Berlin zusammen. Während die Pläne des Ministers bei Unternehmen auf Skepsis stoßen, fordern Hilfsorganisationen gesetzliche Regelungen.

Müller zufolge sollen die Firmen freiwillige Selbstverpflichtungen eingehen, die soziale und ökologische Mindeststandards gewährleisten.

Zudem ist ein neues Gütesiegel angedacht. Sollten freiwillige Vereinbarungen nicht greifen, könnten die Unternehmen per Gesetz verpflichtet werden.

Forderung: Mehr Transparenz bei Lieferketten

Berndt Hinzmann von der Kampagne für Saubere Kleidung hält ein weiteres "x-beliebiges Siegel" im Textilbereich für nicht notwendig. "Ein Produktsiegel muss vor allem glaubwürdig für die Verbraucher sein. Das kann nur funktionieren, wenn hohe Standards und Mindestlöhne gesetzt sind und ein hohes Maß an Transparenz gewährt wird", sagte Hinzmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). An dieser Stelle bestehe dringender politischer Handlungsbedarf.

Kritik übte Hinzmann auch an freiwilligen Selbstverpflichtungen. Er plädierte stattdessen für mehr Transparenz bei den globalen Lieferketten und Haftungsverpflichtungen, die notfalls auch per Gesetz eingefordert werden. Gerade das Fabrikunglück in Bangladesch vor einem Jahr hätte gezeigt, dass aufgrund bestehender Freiwilligkeit die Unternehmen nur auf öffentlichen Druck hin minimale und keinesfalls angemessene Entschädigungen gezahlt hätten, betonte Hinzmann.

Handel: Nahezu unmöglich und mit hohen Einbußen verbunden

Bei Handelsunternehmen stoßen die Pläne des Ministers auf Widerstand. "Es wird sehr, sehr schwierig, ein solches Siegel glaubwürdig umzusetzen", sagte der Geschäftsführer der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels, Stefan Wengler, dem epd. Für die Unternehmen sei es nahezu unmöglich nachzuvollziehen, ob auf allen Stationen der Produktion ökologische und soziale Standards eingehalten wurden. Die Unternehmen könnten keine Garantie dafür geben, dass sowohl beim Saatgut für die Baumwolle, der Ernte sowie der Verarbeitung in Spinnereien, Färbereien, Webereien oder Nähereien alles "sauber sei".

Daher gibt Wengler auch den Plänen des Ministers, die Standards notfalls per Gesetz einzufordern, kaum eine Chance: "Eine Ware, von der ich nicht 100-prozentig weiß, dass auf allen Lieferstationen alle Standards eingehalten wurden, ist nicht verkehrsfähig." Da eine Garantie nicht möglich sei, müssten der Handel und die Lieferländer durch ein solches Gesetz mit erheblichen wirtschaftlichen Einbußen rechnen. Zudem geht Wengler davon aus, dass Nischenanbieter die Preise dann nach oben treiben werden. Sein Verband repräsentiert große Import-Handelsfirmen wie die Otto-Gruppe, REWE, Tchibo, Lidl, Deichmann, Adidas und Puma sowie Branchenverbände.

Die Aussage vieler Unternehmen, dass eine Kontrolle aller Lieferstationen nur schwer möglich sei, kritisierte Hinzmann als vorgeschoben: "Es gehört zu den Kernaufgaben der Firmen für die Umsetzung hoher soziale und ökologische Standards zu sorgen." Er hofft, dass die Initiative des Ministers bald Wirkung zeigt. "Mit billigen Ausreden kann man sich jetzt nicht mehr herausreden." In der strategischen Ausrichtung vieler Textilkonzerne habe sich kaum etwas verändert. Dabei haben Hinzmann zufolge Markenfirmen wie Discounter großen Einfluss auf Löhne oder Arbeitsbedingungen in den Lieferländern.


Quelle:
epd