Irakischer Erzbischof gegen US-Intervention

Politischer Druck statt Bomben

Gegen eine US-Intervention im Irak hat sich der chaldäisch-katholische Erzbischof Baschar Warda ausgesprochen. Der Kirchenvertreter aus dem nordirakischen Arbil betont, eine Lösung müsse im Land selbst gefunden werden. Ungeachtet dessen bereiten die USA Angriffe vor.

Unruhen im Irak (dpa)
Unruhen im Irak / ( dpa )

Erzbischof Baschar Warda befürchtet, eine Einmischung ausländischer Militärkräfte würde die Situation nur weiter verkomplizieren. Wichtig sei aber politischer Druck auf die Regierung in Bagdad, damit sich alle Seiten an einen Tisch setzten. Am vergangenen Wochenende fand laut Warda erstmals nach 1.600 Jahren keine Messe in Mossul statt. Im Irak leben nach seiner Schätzung noch etwa 350.000 Christen; rund drei Viertel davon sind Chaldäer. Keine Antwort wollte der Erzbischof auf die Frage geben, ob er der Minderheit empfehle, im Irak zu bleiben oder aus dem Land auszuwandern. Die Entscheidung müsse jede Familie selbst treffen. Die meisten hätten aber den Wunsch, ihre Heimat nicht verlassen zu müssen.

Ein Leben in den von muslimischen Extremisten kontrollierten Gebieten hält Warda für nicht möglich. Dort hätten Christen "keine Chance". Die Minderheit fühle sich im Irak insgesamt unsicher, weil sie derzeit keine Perspektive habe. Die Zukunft sei völlig ungewiss. Warda wurde 2010 von Papst Benedikt XVI. zum Erzbischof für Arbil ernannt. Der heute 45-Jährige hält sich derzeit seit rund zwei Wochen im Ausland auf und will nach eigenen Angaben am Samstag in den Irak zurückkehren. Seine Geschwister und Eltern leben in Deutschland, den Niederlanden, den USA und Australien; niemand aus seiner Familie ist mehr im Irak.

Am Donnerstag hatte sich Warda mit dem Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst getroffen. Das Bistum setzt sich seit Jahren für die Integration chaldäischer Christen ein, die nach Deutschland fliehen konnten.

Obama: Gezielte und präzise militärische Schritt

Ungeachtet mahnender Stimmen bereiten sich die USA zweieinhalb Jahre nach Ende des Kriegs im Irak auf neue Militärschläge in dem Land vor. "Wir sind bereit, gezielte und präzise militärische Schritte zu unternehmen, wenn wir feststellen, dass die Situation vor Ort es erfordert", sagte US-Präsident Barack Obama am Donnerstag nach einem Treffen mit Top-Sicherheitsberatern im Weißen Haus. Luftangriffe gegen sunnitische Dschihadisten sind damit nicht mehr ausgeschlossen.

Außerdem seien die USA bereit, bis zu 300 Militärberater ins Land zu schicken, um irakische Sicherheitskräfte zu trainieren und zu unterstützen sowie Informationen über die Gefechtslage zu sammeln. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte stellte aber klar: "Amerikanische Truppen werden nicht in den Kampf im Irak zurückkehren." Die USA hätten nicht die Fähigkeit, die Probleme des Landes durch die Entsendung von "Zehntausenden Truppen" zu lösen.

Kommentatoren deuteten darauf hin, dass die angekündigten 300 Soldaten im Widerspruch stünden zu Obamas jüngst gegebenen Versprechen stehe, dass es "keine Soldatenstiefel" auf irakischem Boden geben werde. Ein hochrangiger US-Regierungsvertreter erklärte, dass die Truppen schon "sehr bald" und "größtenteils von Einheiten in der Region" ins Land kommen sollten. Allerdings sollten sie langsam aufgebaut werden. Der TV-Sender CNN hatte zuvor gemeldet, es handele sich um Eliteeinheiten, die für Einsätze unter härtesten Bedingungen ausgebildet seien. Eine offizielle Bestätigungen gab es nicht.

Außenminister John Kerry solle in den kommenden Tagen in die Region reisen, um den Konflikt diplomatisch zu entschärfen. Auch ein Besuch im Irak sei geplant, berichtete CNN. Obama nahm auch den umstrittenen irakischen Regierungschef Nuri al-Maliki in die Pflicht. Es sei entscheidend, ob das tiefe Misstrauen zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden und politischer Opportunismus überwunden werden könne. Auch der Iran könne hier konstruktiv mithelfen. "In diesem Moment steht das Schicksal des Iraks auf Messers Schneide."

Top-Priorität der USA bleibt nach Obamas Plänen, die im Irak stationierten Amerikaner zu schützen - darunter auch die rund 5000 Mitarbeiter der Botschaft in Bagdad, der größten diplomatischen US-Vertretung weltweit. Einige von ihnen seien bereits umgesiedelt worden. Für die möglicherweise bevorstehenden Luftangriffe soll das Land ab sofort noch stärker überwacht werden, um Informationen über Stellungen, Bewegungen und Waffenlager der Isis-Kämpfer zu sammeln.

Die Bildung einer neuen Regierung wäre eine Chance, einen wirklichen Dialog zwischen den Kräften aller Iraker herzustellen, sagte Obama. Es sei aber nicht Sache der USA, über die irakische Führung zu entscheiden. Die Miliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien (Isis) besteht hauptsächlich aus sunnitischen Kämpfern. Der Schiit Al-Maliki hielt Sunniten bislang von allen wichtigen politischen Posten fern.

UNICEF ruft höchste Alarmstufe aus

UNICEF hat derweil für den Irak die höchste internationale Alarmstufe ausgerufen. Ohne massive Hilfe drohe eine humanitäre Katastrophe, erklärte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen am Freitag in Köln. Unter den Flüchtlingen, die vor den kriegerischen Auseinandersetzungen aus Mossul und der Unruhe-Region Anbar geflohen sind, seien über 450.000 Kinder.

Bereits vor Beginn der aktuellen Eskalation durch die islamistische Organisation "ISIS" hätten im Nordirak 220.000 syrische Flüchtlinge versorgt werden müssen, hieß es weiter. UNICEF unterstützt nach eigenen Angaben die kurdische Regionalregierung in Erbil nicht nur mit Hilfsgütern für die Flüchtlinge, sondern auch bei einer breiten Impfkampagne gegen Polio (Kinderlähmung) und Masern.

Die als ausgerottet geltende Kinderlähmung sei in Syrien und Irak wieder aufgetreten, weil Routineimpfungen nicht mehr flächendeckend stattfanden.

Angesichts der zum Weltflüchtlingstag veröffentlichten neuen Rekordzahl von 51 Millionen Flüchtlingen weltweit rief das Kinderhilfswerk die Regierungen auf, Flüchtlingskindern die gleiche Fürsorge und Hilfe zu gewähren wie allen anderen Kindern. Nach UNICEF-Angaben sind rund die Hälfte der Flüchtlinge und Vertriebenen Kinder oder Jugendliche. Sie brauchten besonderen Schutz.


Erzbischof Amil Shamaaoun Nona (KiN)
Erzbischof Amil Shamaaoun Nona / ( KiN )
Quelle:
KNA , dpa