Die Museumsleiterin und Geschäftsführerin des Kulturkreises Höxter-Corvey, Claudia Konrad, sieht in der Auszeichnung die Früchte einer fast 15-jährigen Vorbereitungszeit. Das Kloster Corvey in Höxter habe das älteste, fast vollständig erhaltene Westwerk, erklärt die Museumsleiterin. Die 822 gegründete Abtei habe zudem zu den einflussreichsten seiner Art gehört und sich schnell zum geistigen und politischen Zentrum im Frankenreich entwickelt.
Im Herbst 1999 wurde Corvey in die sogenannte Tentativliste aufgenommen worden, das ist eine Vorschlagsliste für künftige Nominierungen Deutschlands zur Aufnahme in die UNESCO-Liste. Seit 2010 wurde "unter Hochdruck" an den vierbändigen Antragsunterlagen gearbeitet, wie Konrad berichtet.
Westwerke, meist an die Kirchen von Reichsklöstern angebaut, dienten reisenden Herrscher als Kanzlei oder Gerichtsort. Von einer Empore aus, die sich zum Kirchenraum öffnete, konnten Könige und Kaiser zudem aus geziemender Höhe am Gottesdienst teilnehmen. Für den Welterbetitel sprach auch die unterirdische Stadt Corvey, die Civitas. Sie umgab damals das Kloster, bis sie von Bürgern des benachbarten und rivalisierenden Höxters niedergebrannt wurde.
Kalte, stürmische Winter und eine schlechte Lage
Als Karl der Große bei seinen Eroberungszügen im Jahr 775 mit seinen Truppen die Weser erreichte, konnte der Frankenherrscher nicht ahnen, dass dort einmal Weltgeschichte geschrieben werden würde. Das Kloster Corvey wurde allerdings nicht mehr von Karl dem Großen errichtet, sondern entstand unter dessen Sohn Ludwig dem Frommen.
Die vorherige Klostergründung in Hethis, im heutigen Naturpark Solling (Niedersachsen), war kein Glücksgriff gewesen. Karl der Große hatte vor allem eine Trutzburg gegen die Sachsen im Sinn gehabt. Für die im Jahr 816 dort angesiedelten Benediktinermönche aus dem westfranzösischen Corbie erwies sich der in tiefen, dunklen Wäldern gelegene Ort als äußerst ungünstig: Kalte, stürmische Winter und die schlechte Lage abseits der damaligen Handelswege machten den Mönchen das Leben und Missionieren schwer.
Ein neuer Standort für das Kloster wurde nach dem Tod Karls des Großen (814) im Jahr 822 gefunden: Direkt in den Weserauen in der Nähe des Königshofes "Huxori", dem heutigen Höxter, entstand "Nova Corbeia", das "Neue Corbie", das bereits 826 vom französischen Mutterkloster unabhängig wurde.
Dass einige Jahre später die Reliquien des Heiligen Vitus von Paris nach Corvey überführt wurden, war ein Glückfall für die Benediktinerabtei am Rande des Frankenreichs. Von da an entwickelte sich das Kloster als berühmter Wallfahrtsort und Missionierungszentrum. Die christliche Kultur reichte bald bis nach Nordosteuropa.
Das mit großen Ländereien ausgestattete Kloster florierte nicht nur wirtschaftlich. Weltruhm erlangten auch Bibliothek und Schreibschule. Mit Vorliebe pflegten die Corveyer Mönche antike Schriftsteller wie Cicero, Vergil, Sallust, Plinius, Livius und Tacitus. Neben den Abschriften dieser Autoren entstand im Scriptorium eine Vielzahl renommierter literarischer Werke.
Das rege geistige Leben Corveys kam mit dem Dreißigjährigen Krieg und den Zerstörungen an der Klosteranlage zum Erliegen. Zwar wurde das Areal Ende des 17. Jahrhunderts als barocke Residenz wieder aufgebaut. An seine Glanzzeiten konnte Corvey jedoch nicht wieder anknüpfen.
Heute ist Corvey wieder ein beliebtes Ausflugziel. Direkt am Europa-Radweg R1 gelegen, machen viele Radler und Wanderer Station in der weitläufigen barocken Schlossanlage, die sich seit 1834 durch Erbfolge im Besitz der Herzoglichen Familie von Ratibor befindet.
Von dem Welterbetitel erhofft sich der Kulturkreis wieder mehr Aufmerksamkeit und internationale Besucher. Von dem Titel werde die gesamte Region des Weserberglandes und Westfalens profitieren, ist die Museumsleiterin Konrad überzeugt. Der Kulturkreis Höxter-Corvey werde alle Kräfte dafür aufbieten, das Baudenkmal mit Leben zu erfüllen und mit dem Museumsbetrieb, den kulturellen Veranstaltungen, dem museumsdidaktischen Angebot und einer Marketingstrategie den hohen Anforderungen der UNESCO zu genügen.