domradio.de: Künstliche Empfängnisverhütung, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Eucharistie für wiederverheiratete Geschiedene. Die katholische Kirche hat sich mit ihren Moralregeln weit von der Lebenspraxis der meisten Katholiken entfernt. Das ist noch einmal ganz deutlich geworden bei der Umfrage zum Thema, die viele Bistümer in Deutschland gemacht haben. Haben Sie die Ergebnisse der Umfrage überrascht?
Holger Dörnemann (Leiter des Referats Familienpastoral des Erzbistums Köln und Berater der deutschen Bischofskonferenz in Familienfragen): Am meisten hat mich überrascht, dass es diese Umfrage überhaupt gab und dass damit quasi in einem synodalen Prozess ja Menschen bis in die Ortskirchen hinein einbezogen und ihre Ergebnisse, ihre Sicht auf die Wirklichkeit mitgeteilt haben. Das ist kirchlicherseits wahrgenommen und auch gefragt worden.
domradio.de: Haben Sie mit den Ergebnissen gerechnet?
Dörnemann: Es gab unterschiedliche Reaktionen. Einerseits wurde gesagt, das war ja bekannt, das ist mehr oder minder nichts Neues. Es gab auch die tiefe Überraschung und fast ein Erschrecken darüber, wie weit sich die Wirklichkeit von der kirchlichen Lehre entfernt hat.
domradio.de: Auch bei einigen Bischöfe hatte man den Eindruck, dass sie offenbar sehr überrascht waren von den deutlichen Ergebnissen. Heißt das, dass diese Bischöfe die Lebenswirklichkeit der Menschen gar nicht mehr richtig wahrgenommen hatten?
Dörnemann: Ich glaube, was am meisten fehlte, war ein Klima der Auseinandersetzung, in dem sozusagen Bischöfe und Bistumsleistung und das Volk, die Gemeindemitglieder im Gespräch sind und sich auseinandersetzen mit Themen, die unter den Nägel brennen. Aber da kommt etwas in Bewegung.
domradio.de: Da war diese Umfrage vielleicht ein erster Schritt in die richtige Richtung?
Dörnemann: Das ist eine Umfrage, die das Klima ganz grundlegend verändert hat, dass wir im Gespräch sind. Kirche ist ein Dialog, Kirche will sich nicht abheben, will im Kontakt sein zu den Gläubigen.
domradio.de: Worum wird es denn bei den Beratungen der Bischöfe bei der Familiensynode in Rom gehen?
Dörnemann: Familie ist erst einmal ein Thema, wo man denkt, das ist erstmal gar nicht so im Glaubensgut ganz oben auf. Dennoch ist es ein ganz zentrales Thema der katholischen Kirche. Es geht für mein Gefühl auch um das Ganze. Es geht um einen synodalen Prozess, wie diskutieren wir, wie gehen wir mit Fragen um und es geht um ganz viele heiße Eisen, über die man neu sprechen muss, wie kann man etwas an der Lebenswirklichkeit verändern bzw. auch Lehre neu übersetzen.
domradio.de: Eines der heißen Eisen ist eben der Umgang der Kirche mit wiederverheiratet Geschiedene in Zukunft. Bisher sind sie von der heiligen Kommunion ausgeschlossen. Wird es in dieser Frage Bewegung geben?
Dörnemann: Einerseits ist mit dem Thema der wiederverheiratet Geschiedenen die Frage des Umgangs mit nichteheliche Lebensformen angesprochen. Da ist es wichtig, dass Kirche eine Möglichkeit findet, wertschätzend auf sie zuzugehen und sie anzusprechen, ohne immer nur zu sagen, was sie nicht sind. Es muss also eine Form des Ausdruckes sein, Wertschätzung auch ins Wort zu bringen. Ich denke, da gibt es Möglichkeiten, die in der Lehre nicht eine Verflachung bedeuten, sondern eine Vertiefung.
Um auf den zweiten Teil der Frage zu antworten, es gibt sicherlich Indizien, Impulse in Blick auf diese Fragestellung auch in dieser Synode. Ergebnisse wird es allerdings erst im nächsten Jahr geben, wenn es darum geht, ein Schlussdokument zu formulieren, dass dann auch vom Papst entsprechend veröffentlicht und verabschiedet wird.
domradio.de: Die Familien- und Ehepastoral hier im Erzbistum Köln begleitet die Familiensynode mit einem eigenen Blog. Was genau haben Sie da geplant?
Dörnemann: Es steht im Kontext der gesamten Entwicklung: Wir haben eine Umfrage gemacht, wir haben die Umfrage der Bischofskonferenz bereitgestellt, wir haben sie nach Rom gesandt und wollen jetzt auch zeigen, wir sind interessiert an der Entwicklung, wir wollen im Gespräch sein, über das, was passiert. Das ist wie bei einer Weltmeisterschaft: Da ist es schön, wenn gut gespielt wird in Rom und dass man das wahrnimmt, aber wir müssen zeigen, dass wir unterstützen, dass wir beteiligt sind und dass wir auch uns soweit interessieren, dass wir die Diskussion der Ergebnisse nicht der medialen Welt überlassen, sondern auch als Bistum, als Erzbistum Köln zeigen, wir sind interessiert an allen Vorgängen und wir wollen sie auch erklären, wir wollen sie auch erläutern und das soll zum Ausdruck kommen.
domradio.de: Und das wollen Sie dann Tag für Tag auch in diesem Blog Online stellen, dass das jeder nachlesen kann?
Dörnemann: Das ist auch eine neue Kommunikationsstrategie von Seiten des Vatikan. Es wird tägliche Pressebulletins geben, die mehr sind als die Addition der Statements. Wir können die Entwicklung mitverfolgen, wir müssen sie auch mitverfolgen und wir können sie auch einordnen auf Grund der ganzen Vorarbeiten, der vielen Dokumente, die es gibt und das ist es wert. Ich bin gespannt - es wird eine ganz lebendige Zeit.
Das Interview führte Hilde Regeniter