Wenn es um die Auseinandersetzung mit Salafisten in Deutschland geht, wird immer wieder der Ruf nach den Moscheen laut. Sie sollen helfen, eine Radikalisierung von jungen Muslimen zu erkennen und frühzeitig gegensteuern. Wie aktiv die Vereine im Umgang mit fundamentalistischen Ansichten sind, ist nach Einschätzung von Mohammed Assila, Berater beim Düsseldorfer Projekt "Muslim Open Mind" für Deradikalisierung, sehr unterschiedlich. Viel hänge davon ab, wie aufgeschlossen ein Vorstand sei und wie die Jugendarbeit in dem Verein aussehe.
Doppelter Druck für Vereine
Durch den Salafismus stehen die islamischen Vereine doppelt unter Druck: Zum einen verlangt die deutsche Öffentlichkeit eine Distanzierung von den Extremisten. Zugleich stellen Salafistenprediger die Haltung der Vereine infrage. "Das radikale Gedankengut, auf das sich Ideologen stützen, verletzt in mehrfacher Hinsicht elementarste Grundprinzipien des Islams", betont Bacem Dziri vom Rat muslimischer Studierender und Akademiker in Berlin. Die öffentliche Reaktion auf die "Verunstaltung" ihrer Religion treffe wiederum die allermeisten Muslime und zwinge sie zur Auseinandersetzung.
Ob Jugendliche in den Bann radikaler Prediger geraten sind oder nicht, ist dabei schwer auseinanderzuhalten. "Wenn ein Jugendlicher mit afghanischer Kleidung und aggressivem Auftreten erscheint, ist eine Radikalisierung offen erkennbar", sagt Assila. Eine strikte Einhaltung der fünf täglichen Gebete der Muslime sei dagegen kein Anzeichen für Extremismus, sondern weise lediglich auf Frömmigkeit hin. Nur Gespräche könnten Klarheit bringen, betont der Islamkundelehrer.
Imame in der Pflicht
Dabei sind nach Assilas Ansicht die Imame gefragt. Sie müssten aufzeigen, wo jemand vom Islam abweiche. Dabei sei es nicht mit einigen Ermahnungen getan, vielmehr seien viele Gespräche nötig, sagt der Berater. "Das ist wie bei einer Therapie." Oft fehlt nach seiner Erfahrung jedoch die Nachhaltigkeit. Hinzu komme, dass radikalisierte Muslime den Vorbetern die Legitimation zur Koranauslegung absprechen und die Verse anders auslegen. Deshalb sei es wichtig zu erklären, in welchem historischen Zusammenhang ein Satz im heiligen Buch des Islam stehe und wie der Vers heute zu deuten sei, betont Assila.
In den Freitagspredigten, die oft im Internet verbreitet werden, verurteilen viele Imame Gewalt und betonen, dass der Islam eine friedliebende Religion sei. Von Salafismus sprechen sie jedoch nicht. Das dürfte auch an der unterschiedlichen Prägung des Wortes liegen.
Das Gruppengefühl lockt
Während Salafismus in Deutschland ein negativ besetzter Begriff ist, hat er im Islam ursprünglich ein positives Image. Das arabische Wort "Salaf" steht für die ersten Generationen frommer Muslime. "Der Zusammenhang zwischen Salafismus und Blut, Gewalt und Krieg stört viele Muslime", sagt Assila. Deshalb zögen Muslime andere Bezeichnungen vor.
Allerdings geht es meist nicht nur um Religion, wenn einzelne Personen oder ganze Cliquen in den Salafismus abdriften. So sind traditionell ausgebildete Imame nach Assilas Erfahrung überfordert, wenn junge Menschen jenseits der Religion Identitätsfragen stellen, die in ihrem Alter eine Rolle spielen. Radikale Prediger lockten dagegen mit Brüderlichkeit und Gruppengefühl. Dagegen müssten auch die islamischen Vereine ein Gefühl von Wärme und Zugehörigkeit vermitteln. Zusätzlich seien Netzwerke von Moscheen mit Behörden, Jugendämtern und Schulen nötig, sagt Assila.
Auch Dziri vom Rat muslimischer Studierender und Akademiker meint, dass das Hauptmotiv für eine Radikalisierung nicht im Islam liege. "Die Radikalisierung einiger Jugendlicher hierzulande hat so viel oder wenig mit dem Islam als Religion zu tun, wie Rechtsradikale etwas mit Deutschland als Nation zu tun haben", sagt Dziri. Die islamischen Vereine würden die Gefahr jedoch sehr ernst nehmen, betont der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Islamische Theologie in Osnabrück. "Wer zur Gewalt neigt, der hat bei uns keinen Raum. Sollten wir so etwas bemerken, würden wir uns umgehend an die Polizei wenden."