KNA: Bischof Büchel, das Schweizer Stimmvolk sagt deutlich Ja zur Präimplantationsdiagnostik. Sind Sie überrascht von diesem Resultat?
Markus Büchel (Präsident der Schweizer Bischofskonferenz und Bischof von Sankt Gallen): Ich bin ernüchtert überrascht. Wir haben auf ein Nein gehofft, das war ja auch unsere Botschaft, aber wir müssen das Ja akzeptieren und schauen, wie sich das jetzt entfaltet. Viele Menschen dachten wohl, es sei sinnvoller, eine Selektion vor der Einpflanzung des Embryos in den Körper der Frau durchzuführen als nachher einen Schwangerschaftsabbruch zu riskieren. Es ist aber doch ein Rückschritt, dass man nicht am heiligen Grundsatz festhält, dass es hier um menschliches Leben geht. Ein Embryo ist für uns bereits menschliches Leben.
KNA: Genetische Untersuchungen an Embryonen, die im Reagenzglas erzeugt wurden, sollen künftig in großem Umfang erlaubt werden. Was befürchten Sie diesbezüglich nach diesem Ja?
Büchel: Ich befürchte vor allem, dass es durch diese Möglichkeit eine Selektion über wertvolles und nicht wertvolles Leben gibt. Das liegt nicht in unserer Verfügbarkeit. Wenn es Erbkrankheiten betrifft, geht es nicht mehr um die Behandlung der Krankheit, sondern PID (Präimplantationsdiagnostik, Anm. d. Red.) ermöglicht eine Vernichtung des Embryos, dessen Leben sich nicht entfalten kann.
Es stellt sich die Frage, ob mit dem Gesetz zur Fortpflanzungsmedizin wirklich nur ganz schwere Krankheitsfälle ausselektioniert werden sollen, oder ob es eine weitere Öffnung in die Richtung gibt, dass in künftigen Schritten Designerbabys möglich würden, dass man also eigene Vorstellungen von Kinderwünschen anbringen könnte.
KNA: Sie sprechen das Fortpflanzungsmedizingesetz an, das mit dem Ja zur PID in Kraft treten könnte. Das Nationale Komitee "Nein zur PID" hat bereits angekündigt, das Referendum dagegen zu ergreifen. Wird die Schweizer Bischofskonferenz dieses unterstützen?
Büchel: Die Bioethische Kommission der Schweizer Bischofskonferenz hat sich bereits dazu geäußert, dass sie das Referendum unterstützen wird, damit es über dieses Gesetz nochmals zu einer Volksabstimmung kommen wird. Die Schweizer Bischofskonferenz wird es im Sinne des Neins zur Verfassungsänderung ideell unterstützen, jedoch selbst keine Unterschriftensammlungen durchführen noch dem Referendumskomitee beitreten.
KNA: Die Schweizer Bischofskonferenz hat bei ihrer Stellungnahme zur PID mit dem Schutz des Embryos argumentiert. Ist der Schutz werdender Eltern, die sich die Betreuung eines schwer kranken Kindes nicht zutrauen, für die Bischöfe kein Thema?
Büchel: Das ist sicher auch ein Thema. Die Frage ist, aus welcher Motivation sich Eltern dies nicht zutrauen. Es braucht eine Gesellschaft, die diese Eltern unterstützt. Eltern befürchten oftmals den Vorwurf, wenn sie ein schwer krankes Kind haben, dass sie nicht alles unternommen hätten, um das zu verhindern. Es geht um die Frage, wie die Gesellschaft mit der Wertigkeit des Lebens umgeht, auch des belasteten Lebens, und mit den Menschen, die dazu ja sagen und dieses begleiten.
KNA: Wieso hat die Schweizer Bischofskonferenz gerade zu dieser Abstimmung eine Parole herausgegeben?
Büchel: Es liegt in der Logik des Themas: Wenn es um den Schutz des Lebens ging, hat sich die Bischofskonferenz immer engagiert, weil uns das ein besonderes Anliegen ist. Dieses Nein ist aus der Haltung der Katholischen Kirche über den Beginn des menschlichen Lebens entstanden. Für die Kirche ist die befruchtete Eizelle von Anfang an zu schützen, somit dürfen wir nicht darüber verfügen. Und wenn es eine Verfassungsänderung gibt, die eine Türe öffnet in Bereiche, von denen wir gar nicht wissen, wohin diese führen, ist das eine besonders schwierige Situation. Deshalb haben wir uns hier besonders engagiert.
KNA: Was entgegnen Sie Stimmen, die sagen, die Kirche soll sich nicht in Politik einmischen?
Büchel: Kirche ist immer politisch, ob sie sich einmischt oder nicht.
"Leben" ist ein Hauptthema der Kirche. Wenn es um Themen geht wie Bestimmungen darüber, wo Leben beginnt und wo es aufhört, oder um die Verfügbarkeit über das Leben, dann betrifft das die Kirche sehr stark. Aus ihrer ethischen Position, die für den Schutz des Lebens eintritt, muss sie dazu etwas sagen.
Das Interview führte Sylvia Stam