Ein "offizieller Briefwechsel" ist etwas, das gern bemüht wird, um historische Ereignisse zu markieren. Insofern lässt aufhorchen, dass die Spitzen der katholischen und evangelischen Kirche am Montag einen solchen veröffentlichten und mit einem kurzfristig anberaumten Pressetermin ihrer Spitzenvertreter in München flankierten. Bestimmt nicht längst ein gewachsenes Beziehungsgeflecht - von der Gemeindeebene bis zum Topmanagement - das Miteinander der ehemals "feindlichen Brüder"? Wozu also ein "Notenwechsel"?
"Lieber Bruder Marx", schreibt da der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), und der Adressat antwortet mit "lieber Bruder Bedford-Strohm". Der bayerische Landesbischof und der Kardinal - beide sind in München ansässig, man pflegt eine "Ökumene der kurzen Wege". Ein paar Hundert Meter zu Fuß oder mit dem Fahrrad, und man ist beieinander. Beide verstehen sich gut, auch auf zeitgemäße elektronische Kommunikation, wieso da noch Briefe schreiben?
Keine konfessionelle Abgrenzung
Es geht um ein Signal - in die jeweils eigene Kirche hinein und in die Öffentlichkeit. 2017 soll ein Jahrhundertgedenken an den Beginn der Reformation in Deutschland zum ersten Mal nicht mehr im Zeichen nationaler Vereinnahmung und konfessioneller Abgrenzung stehen. Es geht nicht um Heldenverehrung oder Selbstbeweihräucherung, betont Bedford-Strohm vor Journalisten im Münchner Erzbischöflichen Palais. Das Bild ist amüsant, weil Weihrauch im nüchternen protestantischen Gottesdienst sowieso keine Verwendung findet.
Formal handelt sich bei den zwei Briefen um eine evangelische Einladung zu einem gemeinsamen "Christusfest", die der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz für die katholische Kirche annimmt. Zugleich werden damit einige bereits verabredete Veranstaltungen für verbindlich erklärt und terminlich konkretisiert.
Pilgerreise ins Heilige Land
Der Rat der EKD will im Oktober 2016 gemeinsam mit katholischen deutschen Bischöfen ins Heilige Land pilgern. Damit greift die evangelische Kirche eine Idee des früheren katholischen Bischofskonferenzvorsitzenden, Erzbischof Robert Zollitsch, auf. So soll deutlich werden, dass man gemeinsam unterwegs ist - und wo der gemeinsame Bezugspunkt liegt: in Leben, Tod und Auferstehung des Jesus von Nazareth. Davon will man zusammen Zeugnis geben. Warum? Weil eine solche Botschaft im "Doppelpack" mehr Chancen auf Gehör hat, erklärt Marx medientauglich knapp.
Sein "Bruder Bedford-Strohm" spricht inzwischen sehr bewusst nicht mehr nur von "Reformationsjubiläum", dem bisher auf evangelischer Seite bevorzugten Begriff. Genauso verwendet der Landesbischof die neutralere, dafür weniger Feststimmung verbreitende katholische Version "Reformationsgedenken". Darin drückt sich auch verbal der Verzicht auf eine Abgrenzungsrhetorik aus, wie sie bis in die jüngste Vergangenheit hinein zur protestantischen Profilierung benutzt wurde.
Gemeinsamer Buß- und Versöhnungsgottesdienst
Für Aufsehen dürfte ein gemeinsamer Buß- und Versöhnungsgottesdienst am 11. März in Berlin sorgen. Man wolle sich der "gemeinsamen Schuldgeschichte" stellen, sagt Marx. Gemeint sind Kirchenspaltung, Gewalt gegen Andersgläubige und Religionskriege im sogenannten konfessionellen Zeitalter. Man wolle auch um Vergebung bitten für die "Zerrbilder", mit denen "wir unsere katholische Geschwister in der Vergangenheit dargestellt haben", sagt Bedford-Strohm und nimmt sich damit selbst von Vorurteilen nicht aus.
Die zwischen Katholiken und Protestanten gewachsene Partnerschaft ist aber mittlerweile so stabil, dass sie sich auch durch historisch belastete Gedenktermine nicht mehr erschüttern lässt - diese Botschaft soll an diesem Montag vermittelt werden. Wobei die Einladung zum "Christusfest" 2017 auch Orthodoxen und anderen Christen gilt.