domradio.de: Fastenbrechen mit Muslimen hat Konjunktur. Was halten Sie von dieser Entwicklung?
Thomas Lemmen (Geschäftsführer der christlich-islamischen Gesellschaft): Ich finde es gut, dass das Thema "Ramadan" und das Thema "Muslime in Deutschland" in der Politik angekommen ist. Und ich finde es gut, dass mehr und mehr auch die religiöse Wirklichkeit, das religiöse Leben von Muslimen wahrgenommen wird und Vertreter der Politik auch zu solchen Veranstaltungen gehen. Was anderes ist aber, wenn die Politik selber Gastgeber ist. Wie jetzt Frau Merkel, die zu einem Fastenbrechen eingeladen hat. Das finde ich eine unzulässige Anmaßung.
Da mischt der Staat sich in etwas ein, was nicht seine Aufgabe ist. Es kann nicht Aufgabe eines religiösen und weltanschaulich neutralen Staates sein, Gastgeber von religiösen Feiern zu sein. Da ist die Frage, wann wird das Pessach-Fest im Kanzleramt oder eine Rosenkranzandacht gehalten. Das finde ich einfach nicht in Ordnung, dass das so ist. Ich finde das richtig, dass die Politik das wahrnimmt. Und ich denke, man würde den Muslimen einen größeren Gefallen tun, wenn alle im öffentlichen Dienst tätigen Muslime zum Fest des Fastenbrechens Sonderurlaub bekämen.
domradio.de: Die Frage ist, inwieweit sich Poitiik in religiöse Angelegenheiten einmischen darf.
Thomas Lemmen: So ist es. Wenn der Bürgermeister von Mühlheim an der Gottestracht teilnimmt, weil er von der Kirchengemeinde eingeladen wird, ist das das Gleiche, wie wenn er zum Iftar-Essen eingeladen wird und hingeht. Aber wenn er selber ein Iftar-Essen macht, dann ist das etwas anderes.
domradio.de: Also sollten die Politker nicht aus politischem Kalkül zu so einem Fest hingehen, sondern als Privatmann und ohne Medienrummel?
Thomas Lemmen: Ja. Im Grunde im Alltag die Menschen wahrnehmen. Da, wo sie sind. Das ist wichtig und notwendig. Und da ist manches, wo man den Eindruck hat, das wird gemacht, damit es öffentlich wahrgenommen wird. Und damit konterkariert es das Anliegen, sowohl aus christlicher, wie auch aus muslimischer Sicht.
Das Interview führte Peter Kolakowski