Alle anderen seiner Zunft überragt er bei weitem. So groß wie drei ausgewachsene Mannsbilder soll Christophorus gewesen sein. Unter den katholischen Schutzheiligen und Nothelfern ist er der Star. Dass ihn der Vatikan 1969 aus dem römischen Festkalender strich - mangels historisch zuverlässiger Quellen - konnte seiner Popularität nichts anhaben.
Fahrzeugsegnungen vor und nach seinem traditionellen Gedenktag, dem 24. Juli, erfreuen sich in Deutschland wieder großer Beliebtheit, etwa im mittelschwäbischen Wallfahrtsort Maria Vesperbild oder bei der Christophorus-Gilde in Kloster Plankstetten. In der Urlaubszeit hoffen viele auf den Zuspruch des Reisepatrons. Gesegnet werden Karossen aller Art, vom Lkw bis zum Bobbycar. Doch nicht nur für unterwegs ist Christophorus gut. Man ruft ihn an zum Schutz vor Hagel und Feuersbrünsten, zur Hilfe bei Augenleiden und Zahnschmerzen. Auch Schatzsucher, Gärtner, Bergleute und Zimmerer verehren ihn.
Von Reprobus zu Christophorus
Vom Vorleben des heiligen Hünen zeichnet die Legende alles andere als ein sympathisches Bild: Einst soll er in Kleinasien als ein Menschen fressendes, hundeköpfiges Monster namens Reprobus sein Unwesen getrieben haben. Als der Kraftprotz einmal ein Kind schultert, um es über einen reißenden Fluss zu tragen, strauchelt er. Am rettenden Ufer angekommen, scheint es ihm, als hätte die ganze Welt auf ihm gelastet. Da sagt das Kind "Du hast mehr getragen als die Welt, du hast den Schöpfer der Welt getragen" und offenbart sich ihm als Christus selbst. Aus Reprobus wird Christophorus - das griechische Wort für Christus-Träger.
In unzähligen Kirchen und auf Hauswänden wird der Heilige seither dargestellt, meist überlebensgroß als Rübezahl mit einem knorrigen Baumstamm in der Hand und Kind auf der Schulter. Seine Verehrung breitete sich rasch im Westen aus, vor allem in Süddeutschland und den Alpenländern. Allein in Kärnten gibt es mehr als 500 Christophorus-Kunstwerke.
Regensburg war im Mittelalter offensichtlich ein Schwerpunkt der Christophorus-Verehrung. Im dortigen Dom ist der Nothelfer gleich fünfmal anzutreffen. Im Spätmittelalter bildete sich der Glaube aus, dass nicht starb, wer an diesem Tag ein Christophorus-Bild erblickt hatte. Aus dem Begleiter in eine "gute Sterbestunde" hinein wurde ein Beschützer vor dem Tod.
Wallfahrten ihm zu Ehren
Während etliche Heilige heute völlig vergessen sind, wurde der Christophorus-Kult laufend aktualisiert. Aus den Bittgängen der Fuhrleute und aus Pferdeumritten entstanden motorisierte Christophorus-Wallfahrten. Die erste in Deutschland führte am 24. Juli 1932 von München ins oberbayerische Sankt Christoph-Steinhöring. Papst Pius XI. (1922 bis 1939) führte die Autosegnung zu seinem Festtag offiziell ein. Schlüsselanhänger und Christophorus-Plaketten fürs Armaturenbrett werden - trotz Kirchenaustritten - in unvermindert großer Zahl abgesetzt.
Im Verkehrs- und Rettungswesen besitzt der Heilige Markenqualität. Man kann sogar in ihm blättern. Der Liebhaber flotter Flitzer aus einer schwäbischen Sportwagenschmiede wird im Kundenmagazin "Christophorus" fündig. Eine Probefahrt im neuen Carrera auf der A 9 unterbricht er am besten an der Autobahnkirche im oberfränkischen Bad Berneck. Die markante Silhouette von Sankt Christophorus ragt dort wie ein Space Shuttle in den Himmel.
Auf der Rückfahrt wird der Fahrer womöglich wegen überhöhter Geschwindigkeit in einen Unfall verwickelt. Sollte ihn sein umsichtiger Hintermann aus dem schrottreifen Porsche-Wrack ziehen, ist diesem die Christophorus-Medaille für Lebensretter in Bayern so gut wie sicher. Hubschrauber "Christoph 3" übernimmt den Transport des Verletzten ins Krankenhaus. Zum Dank für diese "Rettung von oben" könnte der Überlebende in die Christophorus-Bruderschaft in Sankt Christoph am Arlberg eintreten - oder sich in einem Christophorus-Hospizverein engagieren.